Freitag, 21. Juni 2013

Übersicht zu Initiativen und Debatten zur Arbeitszeitverkürzung



I  Einige Literatur zur aktuellen Frage der Arbeitszeitverkürzung


Einige Leser werden sich an die Kampagne und die Auseinandersetzungen um die 35 Stunden-Woche in den 80er Jahren, inzwischen schon des vergangenen Jahrhunderts, erinnern. Wenn heute das Thema einer durchgreifenden Arbeitszeitverkürzung wieder auf die Tagesordnung kommt, dann ist es sinnvoll, sich diese Geschichte noch einmal kurz zu vergegenwärtigen.
Es gab im Vorfeld der Tarifauseinandersetzung und im Nachgang eine unübersehbare Fülle von Publikationen aus den Gewerkschaften, aus politischen Parteien, Verbänden, wiss. Instituten usw.. Das kann hier nicht vorgestellt und nicht einmal zusammengefasst werden.
Der Auszug aus einer nachträglichen Analyse eines mit den Gewerkschaften sympathisierenden Wissenschaftlers (Peter Bartelheimer) skizziert den Kontext und die Entstehung der Forderung nach einer 35 Stunden Woche in den Zusammenhängen der Gewerkschaften IG Metall und IG Druck und Papier im Vorfeld der tariflichen Streikaktionen.


1. 35 Stunden sind genug. Der Kampf um Arbeitszeitverkürzung von Peter Bartelheimer und Jakob Moneta (Vorwort) Taschenbuch –  Frankfurt/Main : ISP, Internationale sozialistische Publikationen, 1982. >http://www.google.de/search?client=opera&rls=de&q=peter+Bartelheimer+35+Stunden&sourceid=opera&ie=utf-8&oe=utf-8<
Eine gute zusammenfassende und gewissermaßen typische Argumentation der wissenschaftlichen Verfechter einer 35 Stunden-Woche ist ein Abschnitt aus dem Jahresgutachten 1983 der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, dem „Memorandum *83“ mit dem Titel >35 Stunden sind genug<. Dieser Abschnitt ist auch als gesondertes Büchlein erschienen:
2. Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik: 35 Stunden sind genug,
Pahl-Rugenstein, Köln1984; und 1987 mit den Erfahrungen nach 1984 überarbeitet, noch einmal:
>http://www2.alternative-wirtschaftspolitik.de/uploads/memo_klassiker_35_stunden_sind_genug.pdf<
Die Diskussion um eine gesellschaftsweite Verkürzung der Arbeitszeit ist dann in der BRD zunächst erst wieder mit den Berichten über die Entwicklung in Frankreich in Gang gekommen. Dort wurden, mit dem Regierungswechsel 1997 zu einer sozialistischen Regierung unter L. Jospin, Gesetze für die Einführung einer 35 Stunden Woche verabschiedet, die 2000 in Kraft traten (Aubry-Gesetze, nach der zuständigen Arbeitsministerin). Steffen Lehndorf hat dies in einem Aufsatz und einem Buch beschrieben und diskutiert:
3. Steffen Lehndorff - Die Einführung der gesetzlichen 35-Stunden-Woche in Frankreich - Ein Zwischenbericht
http://www.memo.uni-bremen.de/docs/m0401.pdf
„Am 1. Februar 2000 wurde in Frankreich die gesetzliche Arbeitszeit für alle Privatbetriebe mit mehr als 20 Beschäftigten von 39 auf 35 Stunden pro Woche verkürzt. Kleinere Betriebe werden erst 2002 in die neue gesetzliche Regelung einbezogen. Arbeitszeiten oberhalb der gesetzlichen Arbeitszeit gelten als zuschlagpflichtige Überstunden, sofern keine abweichenden Vereinbarungen auf betrieblicher Ebene – etwa in Form von Jahresarbeitszeiten – getroffen wurden. Die zulässige Höchstarbeitszeit wurde von 48 auf 44 Wochenstunden (im Durchschnitt von 12 Wochen) gesenkt, Ausnahmen von dieser Obergrenze definiert das Gesetz. Erklärter Sinn dieses - nach der Arbeitsministerin benannten - Aubry-Gesetzes ist eine spürbare Beschleunigung des Beschäftigungswachstums und des Abbaus der Arbeitslosigkeit.“
4. Steffen Lehndorff; Weniger ist mehr: Arbeitszeitverkürzung als Gesellschaftspolitik. Hamburg; VSA, Hamburg 2001:
Dieses Buch ist von mir in der UZ ausführlich besprochen worden: unsere zeit - Zeitung der DKP; 17. Januar 2003; Marxistische Theorie und Geschichte:
5. Jörg Miehe - Arbeitszeitverkürzung – Hebel im Klassenkampf oder weiße Salbe für die Lohnabhängigen?
Buchbesprechung: "Weniger ist mehr - Arbeitszeitverkürzung als Gesellschaftspolitik"
>http://www.dkp-online.de/uz/3503/s1501.htm<
Das allgemeine Thema einer Arbeitszeitverkürzung um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und das gesellschaftliche Kräfteverhältnis durchgreifend zu verändern habe ich im Zusammenhang der Entwicklungen in Frankreich aufgegriffen und in einem Aufsatz, ebenfalls in der UZ, diskutiert:
6. Jörg Miehe - Arbeitsplätze für alle sind möglich - 30 Stunden sind genug!
unsere zeit - Zeitung der DKP; 22. November 2002:
>http://www.dkp-online.de/uz/3447/s0901.htm<
In der Partei sind diese Anstöße über längere Zeit nicht aufgegriffen worden, parallel zu einem ähnlichen Verhalten in den Gewerkschaften – die Kollegen waren zu skeptisch oder gar abwehrend.
Allerdings wurde in der UZ am 2. August 2002 unter der Überschrift
Weniger ist mehr - Arbeitszeitverkürzung jetzt! über die Forderungen der Gewerkschaftsjugend verschiedener Verbände aus Anlaß des Aktionstages am 14. 9. in Köln "Her mit dem schönen Leben" zur Arbeitszeitverkürzung von LOG berichtet. Am 7. November 2003 berichtet Stefan Heinrich in der UZ unter der Überschrift Arbeitszeitverkürzung mit Gewinnausgleich, Der "Beschäftigungspakt" Telekom will Arbeitszeiten, Löhne und Beschäftigung senken; von den Plänen der Telekom, Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich zu kürzen, ähnlich, wie es schon VW getan hatte.

Nach längeren internen Debatten hat Verdi eine
7. Neue arbeitszeitpolitische Initiative
mit einer
– Auftaktkonferenz – Berlin, 25. Juni 2003
Wem gehört die Zeit
eingeleitet. Sie wurde offenbar gründlich vorbereitet und mit einer längerfristigen Perspektive versehen. Viele Materialien dazu sind unter der obigen Internet-Adresse abzurufen. Eine sowohl allgemeine, also auch konkrete tarifpolitische Begründung liefert die zuständige stellv. Verdi-Vorsitzende Margret Möhnig-Raane in folgendem Beitrag:
8. Wem gehört die Zeit? Koordinaten einer anderen Zeitverteilung - Aktueller Handlungsrahmen
>http://arbeitszeit.verdi.de/material/data/logbuch_margret_moenig-raane.pdf<
Dort bezieht sie sich vor allem auf drei wichtige, damals neuere empirische soziologische Untersuchungen zum Thema.
Bauer, Frank/ Groß, Hermann/ Lehmann, Klaudia/ Munz, Eva (2004): Arbeitszeit 2003; Arbeitszeitgestaltung, Arbeitsorganisation und Tätigkeitsprofile, Köln
Kratzer, Nick/ Fuchs, Tatjana/ Wagner, Alexandra (2004): Zeitmuster – Zeitverwendung im Kontext von Erwerbsarbeit und Haushalt, in: SOFI/ IAB/ INIFES/ ISF (Hrsg.) :Berichterstattung zur sozioökonomischen Entwicklung: Arbeit und Lebensweisen, Wiesbaden (im Erscheinen)
Lehndorff, Steffen/ Wagner, Alexandra (2004): Arbeitszeiten und Arbeitszeitregulierung in Deutschland. EineBestandsaufnahme, in diesem Band
Lehndorff, Steffen (2003): Politische Voraussetzungen einer individuellen Gestaltung der Lebensarbeitszeit, in: ver.di Bundesverwaltung (Hrsg.): Immer flexibler – immer mehr! Auf dem Weg zur Zeitsouveränität? (Tagungsdokumentation

Seitdem und bis heute regt Verdi immer wieder in verschiedenen Zusammenhängen und Bereichen gemeinsame Aktivitäten zum Thema Arbeitszeitverkürzung an und organisiert sie mit. Im Frühjahr 2004 haben Attac und Verdi in Berlin einen Perspektivenkongress „Es geht auch anders!“ abgehalten, auf dem die Forderung nach der 30 Stunden-Woche und einem Mindestlohn von (damals) 10 Euro im Vordergrund standen. Die Beiträge wurden veröffentlicht in:
9. Internationaler deutschsprachiger Rundbrief der ATTAC-Bewegung (21.06.2004)
Sand im Getriebe 34
>http://attacberlin.de/fileadmin/SiG/SiG34.pdf<
Schon damals sind einige der Autoren, die auch in den neuesten Initiativen eine Rolle spielen dabei, so unter anderem Mohsen Masserat.
2007 veröffentlicht Werner Sauerborn, Verdi Baden-Württemberg einen Aufsatz in Verdi Publik 06-07

Im Jahr 2007 veröffentlichen drei Autoren, darunter HJ Bontrup eine kleines Bändchen zur Arbeitszeitverkürzung als Attac-BasisText, darin ein Aufruf etlicher Gewerkschafter und fortschrittlicher Wissenschaftler.
10.
Heinz-J. Bontrup/Lars Niggemeyer/Jörg Melz
Arbeit-fair-teilen - Massenarbeitslosigkeit überwinden;
Attac Basis Texte 27, VSA, Hamburg, 2007
Die Einleitung und der Aufruf sind hier nachzulesen:
http://www.vsa-verlag.de/pdf_downloads/VSA_AttacBasisTexte27.pdf
Dieser kleine Band, der Stand der Arbeitszeitverkürzung, der Debatte und die Notwendigkeit einer erneuten Kampagne wurde von mir 2008 in zwei Artikeln in der UZ vorgestellt und diskutiert:
11. Jörg Miehe Arbeitsumverteilung - Dauerbrenner auf kleiner Flamme
Zur Entwicklung und Notwendigkeit des Kampfes um
die Arbeitszeitverkürzung - Teil I – UZ - 11. April 2008
http://www.dkp-online.de/uz/4015/s1201.htm
(zu: Arbeit fair teilen, Massenarbeitslosigkeit überwinden - Bontrup, Niggemeyer, Melz - Attak Basis Texte Nr 27, VSA, Hamburg 2007, 94 Seiten, 6,50 Euro)
Dort wurden nicht nur die Aktualität des Problems und der Forderung, sondern auch der Hintergrund der kapitalistischen Akkumulationsgeschichte in der BRD angesprochen.
12. Neustart Arbeitszeitpolitik
Wenn in Folge der Krise die Massenarbeitslosigkeit steigt, sollten die Gewerkschaften die Forderung nach kürzeren Arbeitszeiten wieder auf die Tagesordnung setzen. Nicht nur in Deutschland, sondern überall in Europa. Ein Beitrag zur Debatte
http://publik.verdi.de/2009/ausgabe_06_07/gesellschaft/zukunft/seite_16/A0

2005 hat Verdi in Bremen eine örtliche/regionale Bremer Arbeitszeitinitiative in Gang gesetzt:
13. „Bremer Arbeitszeitinitiative
Wir fordern menschen- und zukunftsgerechte Arbeitszeiten, Arbeitsumverteilung statt Arbeitszeitverlängerung...“
 „Im Frühjahr 2005 gründeten Arbeitnehmerkammer, Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA), der DGB und seine Einzelgewerkschaften, attac, die Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB) und das Forum Zeiten der Stadt die Bremer Arbeitszeitinitiative. Sie will der von Arbeitgebern, Medien und Wirtschaftswissenschaften verbreiteten Propaganda, Arbeitszeitverlängerung sei die Lösung der deutschen Standort- und Arbeitsmarktprobleme, argumentativ und praktisch etwas entgegensetzen.
Im Sommer 2005 trat die Bremer Arbeitszeitinitiative erstmals mit ihrem Aufruf "Arbeit für alle – mehr Zeit zum Leben " an die Öffentlichkeit.“
http://www.bremer-arbeitszeitinitiative.de/cms/index.php
Am 23.5.2011 hat Verdi im Rahmen der Bremer Initiative eine Fachkonferenz abgehalten, mit dem Titel
Jetzt ist Zeit
Der Flyer zu den Konferenz ist hier abzurufen
http://www.bremer-arbeitszeitinitiative.de/cms/index.php?menuid=11&downloadid=133&reporeid=0
Eingeleitet wurde die Veranstaltung mit einem Vortrag von Steffen Lehndorff:
14. Steffen Lehndorff : "Arbeitszeitpolitik im Betrieb: Interessenvertretung mit gesellschaftlichem Rückenwind"
http://www.bremer-arbeitszeitinitiative.de/cms/dokumente/upload/verdi%20Bremen%2011-05-23%20Lehndorff.pdf
Außerdem wurde dort das
15. ABC der Arbeitszeitverkürzung
öffentlich vorgestellt:
56 Vortragsseiten im Präsentationsformat! Damit kann jeder einen Vortrag über Arbeitszeitverkürzung halten !
http://www.bremer-arbeitszeitinitiative.de/cms/dokumente/upload/ABC-Postkartenbuch%200511.pdf
Am 30. Juni und 1. Juli 2011 haben in Hannover die –
Memo-Gruppe, die Rosa-Luxemburg-Stiftung Nds und Verdi Landesbezirk Niedersachsen und ATTAC-AG Arbeit-FAIR-Teilen –
eine Konferenz zum Thema:
16. Wege zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit – Arbeitszeitverkürzung auf die Tagesordnung ?!
abgehalten. Der Einladungsflyer ist unter
http://www2.alternative-wirtschaftspolitik.de/uploads/konferenz_arbeitszeitverkuerzung.pdf
abzurufen.
Der Hauptbeitrag war die Vorstellung eines Manifestes Arbeitszeitverkürzung jetzt durch J Bontrup
17. Arbeitszeitverkürzung und Ausbau der öffentlichen Beschäftigung jetzt!
Manifest zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit
v
on Prof. Dr. Heinz-J. Bontrup und Prof. Dr. Mohssen Massarrat  - im Mai 2011
http://www2.alternative-wirtschaftspolitik.de/uploads/m1611.pdf
Eine Art Kurzfassung findet man in dem Aufsatz
18. Produktivitätszuwachs – für wen? Heinz-J. Bontrup –
erschienen in Ossietzky 13/2011
http://www.sopos.org/aufsaetze/4e05ae02031dd/1.phtml
Die Konferenz war insoweit wichtig, als verschiedene Positionen dort öffentlich vorgestellt wurden und ihre Vertreter miteinander diskutiert haben: So u.a auch Lehndorff, Margarete Steinrücke, Frigga Haug u.a.
Eine Besprechung der Konferenz findet man unter
19. Arbeitszeitverkürzung für gutes Leben
Gewerkschafter und soziale Bewegung diskutierten in Hannover über Wege aus der Massenarbeitslosigkeit
Stephan Krull, Hannover - Junge Welt 05.07.2011 / Inland / Seite 5
http://www.jungewelt.de/2011/07-05/003.php
Arbeitszeitverkürzung für gutes Leben
Gewerkschafter und soziale Bewegung diskutierten in Hannover über Wege aus der Massenarbeitslosigkeit
Stephan Krull, Hannover
Wege zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit – Arbeitszeitverkürzung auf die Tagesordnung« war der Titel einer Konferenz am Wochenende in Hannover. Rund 100 Gewerkschafter, darunter viele Betriebs- und Personalräte, waren zu der gemeinsamen Veranstaltung von der Rosa-Luxemburg-Stiftung Niedersachsen, ver.di Niedersachsen, der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik und der ATTAC-AG ArbeitFairTeilen gekommen.
Die Diskusionsbeiträge, ergänzt von Wissenschaftlern, Feministinnen, Vertretern des BUND und der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung, drehten sich um den Anspruch auf gutes Leben, Glück, Freiheit, Selbstbestimmung, Partizipation und intakte Umwelt als Ausgangspunkt für die Forderung nach radikaler Arbeitszeitverkürzung.
Im Jahr 2010 wurden offiziell 3,2 Millionen Arbeitslose gemeldet. Hinzu kommen rund 1,7 Millionen verdeckte und sich in der stillen Reserve befindliche Arbeitslose sowie mehrere Millionen Menschen in unfreiwilliger und schlecht bezahlter Teilzeitarbeit. Damit fehlen rund sieben Millionen Arbeitsplätze, wie Norbert Reuter vom verdi-Bundesvorstand vorrechnete. Mohssen Massarrat von ArbeitFairTeilen kritisierte: »Vor diesem Hintergrund sind die jüngsten Verlautbarungen aus der Politik, die von einem ›Beschäftigungswunder‹ sprechen, zynisch.« Ursächlich für die in der Krise nicht weiter angestiegene Massenarbeitslosigkeit waren die Konjunkturprogramme und die Arbeitszeitverkürzung. Heinz Bontrup von der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschafspolitik erklärte, »ohne Arbeitszeitverkürzungen wäre die Arbeitslosigkeit um über eine Million gestiegen«. Durch den Abbau von Überstunden und Arbeitszeitkonten, eine massive Förderung der Kurzarbeit sowie einen weiteren Anstieg von Teilzeitbeschäftigung seien bei gleichzeitigem Rückgang von Vollzeitbeschäftigung Arbeitsplätze gerettet worden. In der Krise sei für alle sichtbar bewiesen worden, daß Arbeitszeitverkürzung ein wichtiges Instrument zur Verringerung der Arbeitslosigkeit ist.
»Zwei Jahre nach dem Tiefpunkt der Krise wollen Politik und Arbeitgeber nichts mehr vom Erfolg der Arbeitszeitverkürzung wissen – heute steht wieder die völlig kontraproduktive Arbeitszeitverlängerung auf der Tagesordnung«, stellte Detlef Ahting von ver.di Niedersachsen-Bremen fest. Die Situation werde durch verlängerte Arbeitszeiten und zusätzlich durch 2,5 Milliarden Überstunden jährlich in vielen Betrieben erschwert. »Wenn in einigen Branchen, wie zum Beispiel in der Pflege, durchschnittlich weit über 40 Stunden gearbeitet wird, dann ist das nicht in Ordnung«, so der Gewerkschafter. »Wir brauchen eine neue gesellschaftliche Debatte um die gerechte Verteilung von Arbeit.«
Die in Hannover begonnene Zusammenarbeit soll bei weiteren Regionalkonferenzen vertieft werden, ein Aktionsaufruf soll den Schritt von der Diskussion zur gesellschaftlichen Aktion vorbereiten.

Aktuelles Material zur Arbeitszeitfrage findet man im
IAQ-Report - 2010-07
20. IAQ-Arbeitszeit-Monitor 2010
Christine Franz und Steffen Lehndorff
Arbeitszeitentwicklung und Krise – eine Zwischenbilanz
Auf den Punkt...
In den Krisenjahren 2008/2009 haben Arbeitszeitverkürzungen in Deutschland wesentlich zur Sicherung von Arbeitsplätzen beigetragen. Bis zum Tiefpunkt der Krise im zweiten Quartal 2009 war die tatsächliche Arbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten um fast 1,4 Wochenstunden gegenüber dem Vorjahresquartal zurückgegangen. In exportorientierten Branchen wie der Metallindustrie betrug die Arbeitszeitverkürzung im selben Zeitraum sogar drei Stunden. Im Durchschnitt der EU war dieser Verkürzungseffekt wesentlich geringer. Dies zeigt eine Auswertung von Daten der Europäischen Arbeitskräftestichprobe durch das IAQ.
Kurzarbeit war dabei nur eines von mehreren Instrumenten der Arbeitszeitverkürzung. Formen individueller Arbeitszeitverkürzung wie der Abbau von Überstunden und von Guthaben auf Arbeitszeitkonten leisteten zusammengenommen sogar einen noch größeren Beitrag. Diese „Puffer-Funktion“ von Arbeitszeitkonten mag einerseits hilfreich erscheinen, doch andererseits darf nicht übersehen werden, dass die Zeit-Guthaben zu einem beträchtlichen Teil im vorausgegangenen Aufschwung zu Lasten der Schaffung zusätzlicher Beschäftigung angesammelt wurden.
Der Trend zu längeren Arbeitszeiten von Vollzeitbeschäftigten (bis auf 40,4 Stunden in 2008) ist zwar durch die Krise zunächst jäh unterbrochen worden. Doch seit dem dritten Quartal 2009 haben sich die durchschnittlichen Arbeitszeiten bis zum ersten Quartal 2010 wieder bis auf 0,5 Stunden an das Vorkrisenniveau angenähert.
• In diesem neuerlichen Anstieg der Arbeitszeiten drückt sich nicht allein der Rückgang der Kurzarbeit aus. Es deutet sich auch ein Rückfall in die Praxis der Überstundenarbeit und des Aufbaus von Guthaben auf Arbeitszeitkonten an, die bereits in den Jahren vor der Krise den Beschäftigungsaufbau erkennbar gebremst hatte. Sollte sich diese Tendenz verfestigen, droht dies die Beschäftigungswirksamkeit des beginnenden Aufschwungs ernsthaft zu behindern.

II  Was soll man zur Kenntnis nehmen, lesen oder studieren?


Der Einstieg ergibt sich wohl am günstigsten mit meinem Artikel in der UZ aus 2008. Er steht hier unter 11. mit den Links zur UZ. Außerdem ist er als PDF-Datei im Anhang dieser mail zu lesen. Wer ein wenig weiter ausholen will, einerseits zum französischen Versuch einer gesetzlichen Regelung und andererseits zu den grundsätzlichen Zahlenüberlegungen sollte meine beiden vorherigen Aufsätze von 2002 und 2003 aus der UZ lesen. Sie stehen unter 5. und 6. der obigen Liste mit den entsprechenden Links.
Wer sehr weit zurückgreifen will, sollte sich bei Marx im ersten Band des Kapital, 3. Abschnitt: Die Produktion des absoluten Mehrwertes, 8. Kapitel: Der Arbeitstag; 7. Der Kampf um den Normalarbeitstag, Rückwirkung der englischen Fabrikgesetzgebung auf andre Länder; ansehen. (MEW Bd 23, S. 315 – 320)
Sehr viel näher liegt die Schilderung der Entstehung der tariflichen Forderungen nach der 35-Stunden Woche durch Peter Bartelheimer von 1982, Nr. 1 auf dieser Liste.
In die aktuelle Debatte führt der Aufsatz von H-J Bontrup - Produktivitätszuwachs – für wen? ein, der in Ossietzky 13/2011 erschienen ist.  Nr 16. der obigen Liste. Dort findet man schon eine Kurzfassung der ökonomischen Rechnungen zur Sache.  Für eine ausführliche Diskussion gerade auch der ökonomischen Überlegungen für einen vollständigen „Lohnausgleich“ (Beibehaltung des vorhandenen Lohnniveaus) ist die Lektüre des Manifestes von Bontrup und Masserat hilfreich, Nr. 17  auf der Liste.
Wer sich möglichst gleich vorstellen können möchte, wie man selber ausführlich zu dem Thema selber Stellung nehmen kann, der sollte sich das ABC der Arbeitszeitverkürzung durchsehen – und dabei auch gleich selber noch viel lernen.

III  Welche Fragen stellen sich, müssten diskutiert und beantwortet werden?


1. Die Arbeitszeit als Moment des individuellen Arbeitsverhältnisses (Arbeitsvertrages); Rolle der kollektiven Regulierung: EU-AZ-Richtlinie, BRD: ArbZG 94; Tarife; BetrVG;
2. Die Arbeitszeit als volkswirtschaftliche Größe, ihre Bewegung und Bedeutung
3. Der Normalarbeitstag als eine Bestimmungsgröße der alltäglichen Lebensverhältnisse
4. Der Normalarbeitstag als Moment des Normalarbeitsverhältnisses
5. Sind drastische Arbeitszeitverkürzungen im hiesigen Kapitalismus ökonomisch möglich?
6. Welche Art der Arbeitszeitverkürzungen sollte das Ziel politischer Programmatik sein? (indiv.-koll.; tägl, wöch., jährl (Urlaub), biogr., lebenszeitl. (Sabbat, (gleitender Einstieg) Rentenalter)
7. Eine Kampagne zur Arbeitszeitverkürzung:
Ziele; Zielgruppen; Argumente Bündnisse; Organisierung - Perspektive

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