Ukraine – auf der Suche nach dem Hauptfeind
Jörg
Miehe – 9.9.14
Noch
ist die Krise in und um die Ukraine nicht beendet und ob der faktische Waffenstillstand vom Fr. dem 5.9.14, der bis heute, dem 21.9.14, gehalten hat, zu einer tragfähigen Lösung führt, ist weiterhin offen. Von einer Regelung der Ukrainefrage durch einen Kompromiss
zwischen Rußland und dem „Westen“ ist bisher weit und breit
nichts zu sehen. Die Propaganda der Medienmaschine legt eher ein
gegenteiliges Interesse nahe.
Das
Thema hat in der UZ und den Marx-Blättern zurecht einen prominenten
Platz eingenommen, sowohl in der aktuellen Berichterstattung, als
auch in vertiefenden Berichten und ausführlichen Analysen
verschiedener Autoren. Dabei gab es sowohl Übereinstimmungen als
auch Unterschiede in den Einschätzungen. Bemerkenswert waren vor
allem die offenen Fragen, die die unterschiedlichen analytischen
Beiträge hinterließen. Entsprechend unklar blieb die politische
Bewertung, was denn aus kommunistischer Sicht die weitere Linke,
andere politische Kräfte, und verschiedene Klassenkräfte tun
sollten – außer dass alle für Deeskalation sorgen und
kriegerischen Aktivitäten widerstehen.
Die
Regierung der Republik im Spagat
Angesichts
des zumindest opportunistischen „Mitmachens“ der Regierung bei
den Sanktionsbeschlüssen, der Einstimmung in die atlantischen
Schuldzuweisungen, und der Phalanx von Dämonisierung und Kriegshetze
in fast allen Medien, ist eine solche Position zwar moralisch
ehrenwert, aber ohne ernsthaften Effekt. Wie kommt es, dass das
öffentlich geäußerte ökonomische Interesse eines offenbar nicht
unwichtigen Teils der deutschen Groß- und Mittelindustrie durch ihre
Manager, doch wohl auch für ihre Kapitaleigner, bei uns nur erwähnt
wird, aber keine theoretischen Fragen und schon gar keine Erwägungen
zu politischen Fronten aufwirft?
So
gibt es einerseits die Bemerkung von Fülberth im Kommentar in
der UZ vom 11.4. 14 S. 8 über den Kurs der Kooperation der deutschen
Industrie mit Rußland, dieser Kurs sei zwar weniger gefährlich, als
jener der aktuellen Beteiligung an der Konfrontation durch die
Regierung, aber letztlich auch nur eine Variante kapitalistischer,
imperialistischer Politik, mit der man sich wohl besser nicht gemein
machen solle. Daneben im Aufmacher der UZ vom 15. August 14 - „Die
Schuld“ der Russen – ein längeres Zitat des Chefredakteurs des
Handelsblattes Steingart aus seinem Aufmacherartikel mit der
Überschrift : Der Irrweg des Westens vom 8.August 14. Die Autorin,
Nina Hager, setzt den Gedanken von Steingart über die
wohlverstandenen Interessen nicht nur der deutschen Industrie an
Deeskalation in der Ukraine und ökonomischer Kooperation mit Rußland
fort, indem sie auf die Interessen der russischen Seite an Stabilität
verweist. Aber die Konsequenz, dass auch die ökonomische Kooperation
der bundesdeutschen Industrie mit Rußland im Interesse der
bundesdeutschen Bevölkerung liegt und daher die Bundesregierung von
vielen Interessenten und politischen Seiten her aufgefordert werden
muß, diesen wohlverstandenen Interessen an friedlichen Beziehungen
zu Rußland nachzukommen, statt als Vasall oder Pudel der
angloamerikanischen Interessen an der Eindämmung oder Übernahme
ihrer vermeintlichen Gegner mitzuwirken, kann in der UZ anscheinend
nicht gezogen werden.
Plausibel
wird das nur, wenn das Interesse der bundesdeutschen Industrie an
Waren- und Kapitalexport nach Rußland in Verkürzung und
historischer Deplazierung Lenins nicht nur als kapitalistisch,
sondern als Imperialismus wahrgenommen wird, wie bei Fülberth
– auf diese Schiene darf natürlich kein deutscher Anti-Imperialist
oder Kommunist geraten, gerade wenn es gen Osten geht.
Begonnen
hatte die herausgehobene Berichterstattung der UZ über die
Zuspitzung der Ukraine-Krise mit drei gut informierenden Artikeln von
W. Gerns, von denen die ersten beiden geradezu prophetischen
Charakter hatten: am 24.1.14 >Ukrainische Ultras proben den
Bürgerkrieg<; am 7.2.14 >Gemeinsame Sache mit Brandstiftern<
und am 28.2.14 >Staatsstreich in der Ukraine<.
Dieser Staatsstreich erwies sich auch als rabiater Schnellschuß gegen den Vertrag zwischen der damaligen Noch-Opposition im Parlament und auf dem Maidan und Präsident Janukowitsch über eine künftige gemeinsame Politik. Dieser Vertrag war durch Vermittlung und Druck der persönlich anwesenden Außenminister Frankreichs, Polens und der BRD, Steinmeier, zustande gekommen.
Dieser Staatsstreich erwies sich auch als rabiater Schnellschuß gegen den Vertrag zwischen der damaligen Noch-Opposition im Parlament und auf dem Maidan und Präsident Janukowitsch über eine künftige gemeinsame Politik. Dieser Vertrag war durch Vermittlung und Druck der persönlich anwesenden Außenminister Frankreichs, Polens und der BRD, Steinmeier, zustande gekommen.
In
den genannten Artikeln wurde der „Westen“ allgemein als Antreiber
des Umsturzes und als Interessent an einer anderen Politik der
bisherigen Führung der Ukraine geschildert, und im letzten Artikel
auch als „westliche Strippenzieher“ apostrophiert, jedoch auch
der „deutsche Imperialismus“ mit einer „Tradition als
Vertragsbrecher“ von W. Gerns ins Spiel gebracht. Patrick
Köbele betonte in einer kurzen Stellungnahme in der UZ
ebenfalls :„Ganz offensichtlich hat Steinmeier hier ein gutes Stück
Oststrategie des deutschen Imperialismus umgesetzt. …“
Generell herrschte aber Einverständnis darüber, dass sich alle bisher noch politisch gebliebenen Manöver des „Westens“ gegen die Interessen Rußlands richteten, ohne dies genauer zu bestimmen – die entschiedene und harsche Reaktion der russischen Regierung auf den Wechsel der Kiewer Regierung und ihre Politik in der Krim-Angelegenheit hatten bis dahin weder die genannten Autoren noch die Mainstream-Medien in der BRD auf dem Schirm.
Generell herrschte aber Einverständnis darüber, dass sich alle bisher noch politisch gebliebenen Manöver des „Westens“ gegen die Interessen Rußlands richteten, ohne dies genauer zu bestimmen – die entschiedene und harsche Reaktion der russischen Regierung auf den Wechsel der Kiewer Regierung und ihre Politik in der Krim-Angelegenheit hatten bis dahin weder die genannten Autoren noch die Mainstream-Medien in der BRD auf dem Schirm.
Geschäftsinteressen
der Beteiligten
Mit
dem inzwischen erlangten Abstand fällt es naturgemäß etwas
leichter, die Umstände, die Interessenlagen und die Handlungen zu
bestimmen und den Versuch zu unternehmen, die anschließenden
Deutungsversuche der Autoren in der UZ und den Marx-Blättern
einzuschätzen.
Die
erste Frage betrifft die Lage in der Ukraine und die daran geknüpften
Interessen der beiden Lager des „Westens“ und Rußlands, dieses
zunächst ohne eigene Alliierte gedacht.
Mit
Klaus Wagener
in seinem Artikel >Janukowitsch hat überreizt< in der
UZ vom 21. März , S. 13, können wir festhalten, dass die
ökonomische Lage der Ukraine desolat und das Land völlig
überschuldet ist. Außerdem könnte seine ökonomische Struktur
keinerlei ökonomisches Interesse weder der BRD-Unternehmen, noch
solcher aus der EU (oder auch aus den USA) hervorrufen – das Land
ist ein Faß ohne Boden. Die Phantasien über ukrainisches
Fracking-Gas können wir wohl beiseite lassen.
Die
Interessen Rußands an der Ukraine liegen seit vielen Jahren auf der
Hand: es beherbergt die bislang immer noch wichtigste Transit-Trasse
für das russische Erdgas nach Westeuropa – und der Erlös sowie
der Überschuss daraus bilden immer noch einen wichtigen Posten in
der Handelsbilanz und den Staatseinnahmen Rußlands. Die Querelen um
die unbezahlten Entnahmen aus dem Transitgas durch die Ukraine und
damit einhergehende Blockaden, hatten Rußland zum Bau der
Ostsee-Pipeline und zur Projektierung der Schwarzmeer-Pipeline für
Gas motiviert, wobei der Bau der letzteren durch Bulgarien jetzt von
der EU blockiert wird. Dass Rußland an der Bezahlung des der
Ukraine zu liefernden Gases auch zu einem vernünftigen
weltmarktnahen Preis ein berechtigtes Interesse hat, ist
selbstverständlich. Ebenso liegt das Interesse Rußlands an einem
reibungslosen und kostengünstigen Transit des Gases nach Westeuropa
auf der Hand. Das gilt auch für die Interessen der Empfängerländer
in der EU. Beide Seiten müßten also an einer politischen Führung
der Ukraine interessiert sein, die das technisch, ökonomisch und
politisch garantiert. Das Verhalten der EU und eines Teils der
beteiligten Länder deuten jedoch in eine andere Richtung.
Ob
Rußland noch an Rohstoffen der Ostukraine interessiert ist, oder ob
die Verbindungen zu den Unternehmen der Rüstungsindustrie
(Flugzeuge, Raketen u.a. militärische technische Ausrüstungen)
noch unverzichtbar sind, ist in der linken und sonstigen
öffentlichen Debatte unklar geblieben.
Militärische Begierden ?
Die
militärische Seite der Lage und Interessen ist einerseits sehr
einfach, andererseits liegen die Interessen im Nebel von Projekten
und der Propaganda. Die Krim als Herberge der russischen
Schwarzmeerflotte und als Heimathafen eines Teils der
Mittelmeerflotte, zumindest für den Nachschub, ist von großer
strategischer Bedeutung für Rußland. Daher ist die die
Verhinderung der Überlassung der Krim an die Marine der USA oder
anderer Nato-Staaten von allergrößtem Interesse. Insofern entstand
durch den mit dem Putsch erreichten Regierungswechsel zu der
US-Marionette Yasenyuk wirklich die Gefahr einer tiefgreifenden
militärstrategischen Schwächung Rußlands gegenüber und durch die
USA . Die staatliche „Umwidmung“ der Krim durch Rußland kam
dieser unmittelbaren Gefahr zuvor. Anders als bei der „Umwidmung“
des Kosovo durch die Nato brauchte aufgrund der militärischen und
politischen Kräfteverhältnisse auf der Krim und gegenüber der
Ukraine, keine militärische Gewalt angewendet zu werden.
Die
Armee und die Rüstung der Ukraine liegen völlig im Argen, trotz der
vielfältigen Zusammenarbeit durch Nato-Beratungen und in gemeinsamen
Manövern mit der Nato. Für Verteidigungszwecke brauchen weder die
EU noch die Nato das Territorium oder die Armee der Ukraine. Das
Gleiche gilt spiegelbildlich für Rußland. Und für dieses sind auch
keinerlei Pläne oder Absichten bekannt oder werden ihm
zugeschrieben, die eine in die Ukraine vorgeschobene
Abwehrverstärkung durch ukrainisches Militär oder Territorium
vorsehen. Angriffsabsichten Rußlands nach Westen mit Hilfe der
Ukraine werden nicht einmal in der „westlichen“ Propaganda
unterstellt. Dagegen werden von den Regierungen der baltischen
Staaten und Polens Rußland Absichten des direkten Angriffs
auf ihre Territorien und ihre Vereinnahmung in ein „Neurussisches
Imperium“ unterstellt. Dafür werden die Vereinnahmung der Krim und
die Unterstützung der „Separatisten“ in der Ostukraine als erste
Schritte in diese Richtung gedeutet. Vor welchen politischen
Veränderungen die genannten Regierungen tatsächlich Angst haben
oder haben müßten, oder ob sie nur im außenpolitischen Auftrag
ihre vermeintliche Angst beschwören, bleibt dagegen unklar,
Die
militärische Zusammenarbeit der meisten post-sowjetischen
Regierungen der Ukraine mit der Nato und damit besonders den USA muß
daher anders gedeutet werden. An eine ernsthafte konventionelle
angriffsorientierte Kräfteverschiebung in der Ukraine gegen Rußland
und seine Grenze wird dabei wohl nicht gedacht. Das gilt im Übrigen
auch für die Natomitgliedschaft vom Baltikum bis Bulgarien. Allerdings besteht dadurch die Nötigung für Rußland sich den potentiellen
Natoverstärkungen, gerade auch von Luft- und Raketenwaffen,
präventiv zu widmen und damit aufrüsten zu müssen oder den
militärischen Abwehrschirm auszudünnen.
Atomare
Geopolitik der USA
Am
gewichtigsten ist aber das seit der Bush-II-Ära verfolgte Projekt
der USA, in der Nähe der Grenzen Rußlands Kurz- und
Mittelstrecken-Abfangraketen zu stationieren, die angeblich, zusammen
mit entsprechenden Radaranlagen, einen Abwehrschirm gegen iranische
strategische Angriffsraketen gegen die USA bilden sollen. Die
Albernheit dieser Begründung muß hier nicht erklärt werden.
Dagegen ist aus der strategischen Diskussion und Planung der USA
nicht erst unter Bush II bekannt, dass solche Raketen tatsächlich
dem Zweck dienen sollen, die Zweitschlagsfähigkeit der russischen
strategischen Raketenwaffen gegen die USA außer Kraft zu setzen –
was umgekehrt eine taktische und strategische straflose
Erstschlagsfähigkeit der USA gegen Rußland begründen würde.
Würde
eine solche Stationierung gelingen und würde sie technisch
funktionieren, dann würde die militärische Weltherrschaft der USA
durch reine Drohung endlich Wirklichkeit (China, Indien und Pakistan
als Atommächte könnten dem als zweit- oder drittrangige Atommächte nichts ernsthaft entgegensetzen). Bis
1991 stand dem die Sowjetunion im Wege und danach ist es nicht
gelungen, durch Destabilisierung der SU unter Jelzin deren
strategische atomare Fähigkeiten für längere Zeit außer Kraft zu
setzen. Bisher waren Polen und Tschechien als Stationierungsorte für
Radar und Rakentenabschußvorrichtungen vorgesehen. Die Stationierung
konnte dort aber politisch (noch) nicht durchgesetzt werden, sodaß
jetzt die Stationierung auf Schiffen in der Nordsee und im Mittelmeer
erfolgen soll. Die Ukraine und Georgien sind daher zwar keine völlig
unersetzbaren Territorien, wären aber bei dieser Raketeneinkreisung
eine erhebliche Vergrößerung der Gefahr für Rußland.
Ein
funktionierendes Raketenabwehrsystem der USA an den Grenzen
Rußlands würde eine strategische und taktische Erpressbarkeit durch
die USA bedeuten und weltpolitisch eine grundstürzende Veränderung,
gerade auch für China und Indien herbeiführen, für alle anderen
Staaten außerhalb der US-Militärbündnisse ebenfalls: Afghanistan,
Irak und Libyen lassen grüßen, wo Rußland duldend zugeschaut hat.
Syrien und evt. der Iran wären sicher längst auf den libyschen Weg
getrieben worden, wenn Rußland dem bis heute nicht entgegengestanden
hätte.
Wie
gehen nun die Autoren in den verschiedenen Beiträgen mit diesen
Tatsachen, den Umständen, Interessen und strategischen Kalkülen der
genannten weltpolitischen Akteure um?
Die
USA als praktischer Kern des Übels - aber EU und Deutschland sind
auch dabei
Die
Autoren, Gerns mehrfach in der UZ und einmal in den
Marx-Blättern, Wagener in der UZ und Müller in der
gleichen Nr. der Marx-Blätter sind sich weitgehend einig darin, dass
die USA der Hauptantreiber der Ukrainekrise sind. Wagener
verweist dafür auf die geopolitische Begründung einer Strategie
des „containment“ (etwa Einhegung) durch die USA. Wegen des
faktischen Verhaltens der USA brauchen sie dafür keine
theoretischen oder historischen Begründungen. Sie liefern sie auch
nicht, stellen nicht einmal Fragen oder verweisen nicht, wie sonst ja
immer, auf Lenins Imperialismus-Theorie. Ist das der
Selbstverständlichkeit geschuldet oder hat das tiefere Gründe?
Weitgehend
offen bleibt bei allen Autoren und Beiträgen die praktische Rolle
der EU und der BRD in der Ukraine. Selbst der eigentliche Anlaß der dortigen Opposition in Teilen der Bevölkerung, von rechten nationalistischen politischen
Kräften und von einer veränderten Koalition der Oligarchen gegen
Yanukowitsch, das Aussetzen des Assoziierungsvertrages der Ukraine
mit der EU durch diesen, wird kaum erwähnt, nicht untersucht oder im
Lichte der Imperialismus-Theorie interpretiert. Nur in den
punktuellen Bemerkungen von W. Gerns und von P. Köbele wird Deutsch-Imperialistisches angedeutet. In dem Artikel von Müller,
>Zwei Strategien der Ostexpansion< wird ähnlich ein besonderes
Interesse der bundesdeutschen Bourgeosie und ihrer Konzerne an der
Expansion ihres Kapitals nach Osten postuliert (deutscher
Imperialismus?), das entweder mit dem Instrument der Ausdehnung der
EU gegen die Interessen Rußlands oder einvernehmlich mit der
Vergrößerung des Austausches mit Rußland erreicht werden soll. Er
macht dabei die zwei Lager der „Atlantiker“ und der
„Putinversteher“ aus. Er übersieht hier, dass zwar die
Interessen der bundesdeutschen Industrie an Export von Waren und
Kapital nach Rußland offen formuliert werden (siehe u.a. die beiden
Sonder Nrn. des Handelsblattes), aber die „Atlantiker“ keine
deutschen ökonomischen Interessen ins Feld führen, sondern ein
allgemeines „westliches“ Interesse an der Bestrafung Rußlands
für dessen vermeintlichen Imperialismus, oder offen von der
Notwendigkeit der „Solidarität“ mit der westlichen Führungsmacht
sprechen, mit all den Demokratie-, Humanitäts-, Menschen- und
Völkerrechtsappellationen. Manchmal wird auch TTIP als Alternative
für die Stärkung der ökonomischen Bindungen mit Rußland
formuliert.
In
diese Kerbe haut auch Fülberth in seinem oben erwähnten
kleinen Kommentar „Drei Hände“ in der UZ zu einem Plakat der DKP
zur Ukrainekrise . Eine richtige Version des Plakates müsse u.a. die
Hand der EU mit einem „dicken deutschen Daumen“ zeigen, der nach
der Ukraine greife, womit die politische Frage nach dem Hauptfeind im
eigenen Land geklärt sei. Dass die bundesdeutsche Industrie an
Sanktionen gegen Rußland kein Interesse habe und sich wichtige
außenpolitische Experten für eine Kooperation mit Rußland
aussprechen, ist ihm auch nur eine Variante „kapitalistischer, wohl
auch imperialistischer Poliltik“, wenn auch weniger gefährlich.
Bedingter Freispruch für das kapitalistische Rußland?
Die
von Fülberth geforderte „Dritte Hand“ im kritisierten
Plakat, nämlich die von Rußland, untersucht Gerns in einem
längeren Artikel in der UZ mit dem seltsamen Macho-Poster Putins
und der merkwürdigen Überschrift „Putins Rußland – weder Satan
noch Heilsbringer“. Es handelt sich um eine recht prinzipielle
Untersuchung der Eigenart des kapitalistisch gewordenen Rußland. Ist
es nun imperialistisch, wie Fülberth andeutet? Geht es also
um imperialistische Konkurrenz zwischen Rußland und dem „Westen“,
wie man folgern müßte? W. Gerns konstatiert, dass in Rußland
das private und staatliche Großkapital ökonomisch dominiere und die
Politik in der Ökonomie eine große Rolle spiele. Man könne daher
von staatsmonopolistischen Strukturen reden, also der ökonomischen
Grundlage des Imperialismus. Imperialistische Politik hingegen kann
er nur in kleinen Ansätzen im Umgang etwa mit Weißrußland oder als
Tendenz mit einigen früheren sowjetischen, jetzt selbständigen
Teilrepubliken sehen. Hingegen sei gegenüber dem weiteren Ausland,
ausdrücklich auch gegenüber den Baltischen Staaten und der Ukraine
weder von imperialistischen Absichten noch von imperialistischer
Politik etwas zu sehen.
Man
könnte nun hinzufügen, dass es für Rußland auch nicht um den
Export von überschüssigen Waren oder überschüssigem Kapital gehe,
für die mit Einsatz von Macht gegen Konkurrenten Raum geschaffen
werden müsse, wie eine leninsche Hypothese dazu lauten müßte.
Vielmehr prägt die Notwendigkeit des Rohstoffexportes die Ökonomie
und damit gleicht die Situation eher jener der vom „Imperialismus“
abhängigen Länder. Aber ein Land, das politisch und ökonomisch,
wie auch militärisch die Souveränität über seine Rohstoffe und
seinen Export hat, ist natürlich kein Opfer seiner Abnehmer – es
sei denn, es ist Manipulationen des Weltmarktpreises hilflos
ausgeliefert, wie das für kleinere monostrukturell geprägte
Rohstoffexportländer gilt. Die angesichts der Verhältnisse etwas
merkwürdige Frage nach einem eventuellen Interesse Rußlands (seiner
ökonomischen und/politischen Führungsschichten) an der
„Weltherrschaft“ beantwortet Gerns negativ mit Hinweis auf
die Kräfteverhältnisse. Aber dieses Dementi umgeht die Frage, ob
Rußland nicht allen Grund hat, zumindest atomar und allgemein
militärisch gegenüber den USA eine Weltmacht zu bleiben oder wieder
zu werden, um nicht von den USA zerrieben und u.a. seiner
Bodenschätze beraubt zu werden, wie unter Jelzin.
So
ist das Ergebnis der Untersuchung von Gerns zwar zutreffend,
aber es gibt im Verhältnis zu den USA keine richtige Auskunft und
die leninsche Imperialismustheorie ist dafür anscheinend nicht
besonders hilfreich.
Hier
zeigt sich an der Untersuchung des einen Pols der Auseinandersetzung
in und um die Ukraine, nämlich bei Rußland, dass es verfehlt ist,
den anderen Pol, die USA und ihre Nato-Trabanten in Europa völlig
aus der Analyse auszusparen und ihre imperialistische Aggressivität
einfach als gegeben zu unterstellen. Schon bei der Frage der
Angliederung der Ukraine an die EU durch den Assoziationsvertrag war
kein verständiges ökonomisches Interesse daran feststellbar, auch
nicht bei der BRD, und ebenfalls keines, das aus geopolitischer
Konkurrenz zu den USA oder Rußland entspringen würde, das den
Aktivismus der EU und zumindest die „Duldung“ durch die BRD zu
erklären vermöchte.
So
bleibt die Frage, welche ökonomische, politische oder militärische
Lage der USA in der Welt gebiert ein objektives Interesse ihre
Weltherrschaftsabsichten und -praktiken zu verfolgen? Und wie werden
die europäischen Verbündeten zu Vasallen der US-Strategie? Für die
Antwort ist eine stichpunktartige Aufzählung historischer Umstände
seit 1945 unvermeidlich.
1945
– Versuch des Roll back der Sowjetunion nach dem Ende des Krieges
Spätestens
seit den Test-Zündungen der Atombombe 1945 in den USA und der
Unterwerfung des Faschismus Deutschlands und Japans mit der
Kapitulation und der Besetzung beider Länder und ihrer vormaligen
Verbündeten, sowie der militärischen und vor allem ökonomischen
Abhängigkeit der alten Kolonial-Länder England und Frankreich und
auch Italiens, waren die USA militärisch völlig unbedroht. Das galt
solange, wie die SU mit dem Wiederaufbau beschäftigt war, und der
außenpolitische modus vivendi zwischen den USA und Rußland mittels
des Sicherheitsrates der UNO aufrecht erhalten blieb. Die USA haben
allerdings mit dem Wechsel zur Truman-Administration und dem Abwurf
der beiden Atombomben über Japan diesen Konsens aufgekündigt, und
faktisch eine Roll-back-Politik gegenüber dem zunächst nur
militärischen Besatzungsraum Rußlands und ab 1949 auch gegenüber
Rotchina gefahren. Die US-Militärmacht, u.a. in Korea und Vietnam
eingesetzt, war eine ständige Drohkulisse gegenüber dem
entstehenden sozialistischen Block.
Zweigleisig
fahren – eine neue Weltwirtschaftsordnung für den Kapitalismus –
Bretton Woods 1944
Neben
dieser militärischen Einkreisung, bestenfalls dem „containment“,
wie es Wagener richtig erwähnt, bestand die Politik der USA
darin, schon vor dem Sieg gegen die Faschismen, in Bretton Woods eine
neue Weltwirtschaftsordnung in umfassenden Verträgen auf den Weg zu
bringen, in die auch die SU eingebunden werden sollte:
Dollar
mit Goldanbindung als Weltwährung, US-Finanzministerium und die
US-Zentralbank als Steuerung der Dollarversorgung und des
Dollarkurses, und die Wallstreet-Banken als Weltzentrum der
Kapitalversorgung, die Weltbank als internationales
Investitionsvehikel und der Währungsfonds (IWF) als Instanz für
Kapitalbeistandskredite gegen kurzfristige Ungleichgewichte der
Zahlungsbilanzen der Mitgliedsstaaten, dazu etwas später das GATT
als Mechanismus zur Entwicklung des Freihandels. Unterhalb dieser
institutionellen Weltregelungen im Rahmen des US-Staates und der UNO
entwickelten die USA getrennt für Japan und Westeuropa
Wiederaufbauprogramme der kapitalistischen Ökonomien, der
industriellen Produktion, der wirtschaftlichen Ordnungsregime und
sogar der Wiedereinsetzung der meisten kapitalistischen Eigentümer.
Die Altschulden und Reparationsverpflichtungen Japans und
Westdeutschlands, wie auch Italiens wurden erlassen oder zur
Bedeutungslosigkeit geschrumpft. Der Binnenmarkt der USA wurde für
Importe aus Japan und Westeuropa geöffnet und die durch niedrige
US-Zölle und günstige Kredite unterstützte! Konkurrenz der
Industrien dieser Länder mit ihren niedrigen Löhnen hingenommen.
Auf diese Weise wurde die drückende technischen Überlegenheit der
US-Industrie nach und nach abgebaut oder sogar ins Gegenteil
verkehrt: Z.B. setzte irgendwann die westeuropäische Autoindustrie
die technischen Standards und die großen „Amischlitten“ gerieten
auch in den USA außer Kurs und Detroit in eine Krise. Ähnliches
geschah in der optischen und elektronischen Industrie zwischen Japan
und den USA. Aber von Anfang an mußten diese Länder im Gegenzug
ihre Märkte nach und nach den amerikanischen Importen öffnen und
vor allem Investitionen in den Aufbau von Zweigwerken und später die
Übernahme von Firmen zulassen.
Zur
Organisierung von Hilfskrediten für und Warenlieferungen nach
Westeuropa aus den USA wurde der sog., Marshallplan entwickelt, mit
eigenen überstaatlichen Verteilungsinstitutionen, wie der OEEC in
Europa, aus der dann später die OECD hervorgegangen ist. Deren
späterer Hauptzweck war die Entwicklung der freien Bewegung von Waren
und Dienstleistungen, Kapitalverkehr und Währungstransaktionen und
später auch von Arbeitskräften. Noch später wurde dies auch
einer der wichtigen, vor allem ideologischen Transmissionsriemen für
die neoliberale Wende vom Keynesianismus zum Neoliberalismus, also
u.a. der Form der Globalisierung mit geringen staatlichen Leitplanken.
Inzwischen wechselte die Lage der US-Wirtschaft vom Überschuss bei
Handels- und Zahlungsbilanz zum Defizit in der Handelsbilanz, was
eine völlig veränderte Konstellation in der kapitalistischen
Weltwirtschaft erzeugte. Kompensiert wurden die Defizite durch
zunehmende Gewinnimporte aus den auswärtigen Kapitalanlagen und
durch ausländischen Anlagen im US-Amerikanischen Kapitalmarkt u.a.
durch den Verkauf von US-Staatsanleihen. Im Zusammenhang damit konnte
die Goldbindung des Dollar Anfang der 1970er Jahre nicht mehr
aufrecht erhalten werden und wurde von Präsident Nixon einseitig
aufgekündigt, der Dollar drastisch abgewertet und die Beziehungen
der Währungen untereinander wieder den Währungs- und Kapitalmärkten
überlassen – einer der wichtigsten Schritte für die neoliberale
Wende des Nachkriegskapitalismus.
Umfassende
Bewegungsfreiheit für das Kapital in der Welt – Imperium oder
Imperialismus ?
Ist
das nun die Wiederauferstehung des „Freihandelsimperialismus“ des
englischen Empires? Das ist keineswegs der Fall. Jenes war von den
privilegierten Beziehungen zu den Kolonien und den Dominions und
einer festen Einflußzone in Südamerika geprägt. Solche staatlichen
oder ökonomischen Privilegierungen gibt es im ökonomischen
Hegemonieraum der USA nicht mehr. Der Zugang zu allen Märkten ist
für alle westlichen Konzerne weitgehend offen und die Konkurrenz
auch bei den verbreiteten Oligopolen im Prinzip nicht eingeschränkt.
Ausnahmen waren und sind immer noch die natürlichen Monopole, die
oft staatlich organisiert wurden. Aber selbst diese, wie z.B. die
Wasserversorgung und die Entsorgung, die Elt-Anbindung, der
öffentliche Verkehr und manches andere werden inzwischen neoliberal
einer künstlichen Privatisierung unterworfen.
Die
USA haben ihre militärische Herrschaft in Westeuropa durch die
Besatzungen und dann ihre Dominanz durch die Stationierungen im
Rahmen der Nato zunehmend auf eine indirekte Steuerung durch die
Ökonomie und allerlei politische Arrangements und Einflußnahmen
zurückgenommen – ähnlich in Japan und Südostasien.
Der
Sozialismus als Realität und als „Schreckgespenst“
Konnte
man noch bis in den Anfang der 70er Jahre unterstellen, dass die
Bourgeoisie der USA wirklich Sorge hatte, dass aktuelle
wirtschaftliche oder politische Krisen in ihrem Hegemonieraum
kommunistische Kräfte an die Macht und damit ihren weltweiten
„Binnenmarkt“ in Gefahr bringen könnte, so war das spätestens
seit Mitte der 70er vorbei, seit die Anziehungskraft der Ökonomie
der SU für das Proletariat in Europa und Japan weitgehend
verschwunden war. Die vermeintliche Gefahr für die Weltdominanz
bestand aber immer noch im möglichen Übergang einiger Drittweltländer auf
neutralistische oder sozialistische Bahnen. Und insofern war das
militärische und geheimdienstliche imperialistische Gebaren der USA
noch von der Existenz einer nach vorn gerichteten Alternative zum
eigenen kapitalistisch/bürgerlichen Regime motiviert.
Dieses
Motiv und die damit gegebenen Interessen verschwanden mit dem
europäischen Sozialismus – China war Anfang der 90erJahre
anscheinend noch kein Grund für Ängste um das US-Empire. Aber
vorsichtshalber haben die USA selbst den kümmerlichen
institutionellen Resten der jugoslawischen sozialistischen
Selbstverwaltung erst mit der diplomatischen und dann der
militärischen Zerschlagung des Gesamtstaates den Garaus gemacht –
mit unrühmlicher Initiative durch die BRD.
Das
US-Empire als Hegemon des Weltkapitalismus ist weiter sehr lebendig
Aber
weder verschwanden das ökonomische Weltregime der USA, noch ihre
politischen Hegemoniestrukturen im Weltkapitalismus und, nun doch
nicht überraschend, auch nicht ihre überwältigende
Militärdominanz.
Wer
immer noch glaubte, dass die innerkapitalistische imperialistische
Konkurrenz nur durch die Systemkonkurrenz der SU und ihres Blocks im
Zaum gehalten wurde, mußte sich durch die Realität eines besseren
belehren lassen. Die USA verschärften die Freisetzung der Bewegung
der Kapitalien in der Welt noch einmal deutlich. Im
Innern der Staaten mit Durchsetzung des Neoliberalismus unter
Prasident Reagan mit Unterstützung von Englands Premier Mrs.
Thatcher, und international durch die Deregulierung der
internationalen Finanzmärkte. Das Ergebnis war
eine neue Stufe der Internationalisierung
der Kapitalanlagen und -bewegungen,
technisch
eine neue Stufe der internationalen Arbeitsteilung, und quantitativ
eine neue Größenordnung bei Güter- und Kapitalströmen. Das neu konzipierte Freihandelsabkommen mit Asien und TTIP
für Europa könnten zusammen eine weitere Runde der Befreiung des
Kapitals im Hegemonieraum der USA, im Raum ihres Empires, darstellen.
Der
Ölimperialismus der angloamerikanischen Mächte im Nahen Osten
Zwei
Besonderheiten dieser allgemeinen Tendenzen müssen noch angemerkt
werden, weil sie die 90er und die NullerJahre weltpolitisch dominiert
haben – neben dem Aufstieg Chinas. Zum einen der Versuch im Nahen
Osten die verstaatlichten Ölreserven und ihre Förderung wieder zu
reprivatisieren, angefangen mit den Kriegen gegen den Irak – was
letztlich auf den wirklich Großen Preis der Reprivatisierung des
Saudi-Öls hinausläuft – nicht um das dortige Öl billig oder
politisch verfügbar zu halten oder für Boykotte benutzen zu können,
sondern um die seit langem und absehbar mit dem Ende des
Ölüberflusses zunehmende Vergrößerung der Ölrente für die
angloamerikanischen Ölkonzerne auf Jahrzehnte hin aneignen zu können
(das waren Anfang der 2000er Jahre bei einem Ölpreis von 90 Dollar
allein für Saudi Arabien eine Summe von über 15 Billionen ((europ.
Zahlen)) Dollar!). Alle NahOst Kriege und Verwicklungen sind davon
direkt oder indirekt in Gang gesetzt und motiviert, neben dem
Siedlungskolonialismus Israels. Hier kann man wirklich den
Imperialismus bei der Rückgewinnung der Ausbeutung der Bodenschätze
durch die Heimatkonzerne mit Hilfe von militärischer oder terroristischer Gewalt beobachten. Hier waren und sind Bündnisse mit der schwärzesten
Reaktion, wie Saudi-Arabien oder säkularen und teils
modernisierenden Militärdiktaturen wie Irak, Libyen, oder anders
Ägypten möglich, und mit islamistischen Terrorganisationen, die je
nach Lage gesponsert oder bombardiert werden – wie in Afghanistan
(Taliban) oder jetzt aktuell im Irak oder Syrien (Nusra-Front, oder
ISIS).
Allerdings
erfolgen die Aktionen meist im Einvernehmen der Heimatstaaten der
Ölkonzerne, den USA für Exxon und Chevron, England für BP, ebenso
England und die Niederlande für Shell, Frankreich für Total
und Spanien für Repsol, manchmal auch noch Italien für Eni. Der
Öl-Imperialismus wird also kollektiv organisiert – trotz der
Konkurrenz der Konzerne.
Die
Drittrangigkeit von Platz zwei und drei – Japan und Deutschland
In
der Ölfrage gibt es noch eine weltpolitisch relevante Besonderheit –
Japan und die BRD haben keine weltweit operierenden Förder-,
Verarbeitungs- und Distributionskonzerne, sind aber beide zum
erheblichen Teil von Ölimporten als Rohstoff für ihre Industrie und
für Energie abhängig. Daher rührt ihre weitgehende Zurückhaltung
bei den US-geleiteten Ölabenteuern im Nahen Osten, die aber von den
USA immer weiter versucht wird aufzubrechen – wie jetzt erfolgreich
bei dem neuen islamistischen Gespenst ISIS. Die „Konzernlosigkeit“
ist nicht nur ein diplomatischer Vorteil, sondern summiert sich auch
mit dem Faktum nicht als ständiges Mitglied im Sicherheitsrat zu
sitzen und ohne eigene Atomwaffen zu sein, wie auch bei Italien, zu
einer nachgeordneten Stellung vor allem gegenüber dem großen
Bruder.
Das
kapitalistische Rußland als mögliche Beute und als geopolitische
Grenze des Empire zusammen mit China
Die
zweite Besonderheit ist dann schon direkter mit der Ukrainefrage
verbunden. Dabei geht es ebenfalls um Öl und um andere Rohstoffe,
wie Gas und Mineralien: alles was in Rußland zu holen und
auszubeuten war und ist. Die Absicht der Verscherbelung der
russischen Ölreserven an den weltgrößten Ölkonzern Exxon durch
Chodorkowski, konnte von der wieder erstarkten
innerstaatlichen Macht, die von Putin geleitet wurde, gerade noch
verhindert werden. Chodorkowski war einer aus jener
Nachwuchsnomenklatura in der SU, die sich einen großen Teil des
Volksvermögens durch den Aufkauf von Volksanteilsscheinen mit Hilfe
von dubiosen Bankguthaben angeeignet hatten und zu Oligarchen
mutierten. Diese oligarchische Aneignung der Rohstoffe in Rußland
und die Realisierung dieses Reichtums in Dollar konnte nur durch den
Zerfall der Staatsmacht in Rußland unter Jelzin gelingen. Und
beinahe wäre damit auch die Beseitigung des atomaren Weltmachtstatus
des inzwischen kapitalistischen Rußland gelungen.
So
bleiben die beiden in verschiedener Weise großen Ökonomien Rußlands
und Chinas außerhalb der militärischen und politischen
Hegemoniezone der USA und seines Kapitals. Was in beiden Fällen
nicht heißt, dass sie außerhalb der sonstigen kapitalistischen
Weltwirtschaft und des von den USA organisierten und immer noch
dominierten Weltwirtschaftssystems operieren. Allerdings können
beide Staaten das im gegenseitigen Verhältnis und im Verkehr mit
Drittstaaten langsam soweit verändern, dass sich aus der politischen
auch eine ökonomisch multipolare Welt herausbilden kann – die aber
wohl auf absehbare Zeit kapitalistisch bleiben wird.
Und
das ist für die reaktionäre Variante der
US-Weltherrschaftsstrategie immer noch nicht akzeptabel. Daher das
Weitertreiben der Nah-Ost-Probleme und die Versuche Rußland aus der
Unterstützung Syriens herauszulösen und mit der Ukraine-Krise unter
ökonomischen und militärischen Druck zu setzen und es international
zu isolieren. Und auch hier versuchen die USA, u.a. die BRD im Rahmen
der Nato und der EU in die Auseinandersetzung hinein zu ziehen und
zum Engagement zu verpflichten. Dazu der frühere US-Botschafter
Kornblum kürzlich in der Welt, immer noch als Sprachrohr seiner
Herren:
„Die
Clowns stehen auf beiden Seiten – Putin und der islamische Staat
(IS) sind die Schurken und Verbrecher von heute.“ (Kornblum Welt am
Sonntag 7.9.14) Oder der einflußreiche konservative Kolumnist
Friedman kürzlich in der New York Times: „ First You need to
understand how much Putin and ISIS have in common“; Artikel:
Leading from within.
Erst
wenn wir uns diese Entwicklungen und Verhältnisse als Gesamtheit vor
Augen halten, können wir sehen, warum der Versuch mit Hilfe der
Leninschen Imperialismustheorie die Ukrainekrise als weltpolitisches
Kalkül der USA zu erklären, an den seit 1945 veränderten
Verhältnissen scheitern muß! Von daher erklärt sich die Vermeidung
aller oben genannten Beiträge, den Ursachen, also den Umständen und
daraus resultierenden Interessen der US-Aggression und der
zugehörigen Strategie nachzugehen. Das leninsche weltpolitische
Imperialismus-Paradigma erklärt all dies nicht mehr – obwohl wir
es im Verhältnis der USA zur Welt am Rande und außerhalb ihres
Hegemonieraumes mit dem umfassendsten Imperialismus (im allgemeinen
Verständnis) der Weltgeschichte zu tun haben, der es im Laufe der
Zeit auch nicht an Gewalttätigkeit mit entsprechenden Opferzahlen
hat fehlen lassen. Selbst wenn es in Summe wohl noch nicht reicht,
die Zahlen des deutschen Imperialismus und Faschismus zu übertreffen.
Aber
im Inneren dieses Hegemonieraumes, oder plastischer im Rahmen ihres
Empire, haben die USA die ökonomische Konkurrenz der Konzerne sowohl
entfesselt als auch für militärischen Frieden zwischen den Staaten
gesorgt, in der sicheren Erwartung, dass auf dem sich erweiternden
kapitalistischen Feld die US-Konzerne und ihre Großbourgeoisie auch
unter Konkurrenz bestens gedeihen.
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