Mittwoch, 16. März 2016

Zur Flüchtlingsfrage – eine Zwischenbilanz

J. Miehe - 6.1.16

Die sog. “Flüchtlingsfrage” ist weiter “Brand”-aktuell. 


A - Wo Flüchtlinge “produziert werden. 

Hier sollen die mittelfristig möglichen oder wahrscheinlichen Entwicklungen des Krieges in und um Syrien erwogen werden und ihre vermutlichen Auswirkungen auf die Verschlimmerung oder Verbesserung der “Produktion” von Flüchtlingen in und um Syrien und deren daraus zu erwartende Situation, sowie die Entwicklung der Fluchtbewegungen, die dann auch nach Mitteleuropa und in die BRD reichen werden. 


Die kurze Frist

Kurzfristiger aber gibt es Vorkommnisse und Ereignisse, die die Nachrichten jeweils aktuell dominieren, deren Folgen für die mittelfristige Perspektive nicht unmittelbar klar sind, und deren Urachen und Zusammenhänge oft eher im Dunkeln bleiben. 


Dazu gehört die Hinrichtung von über 50 schiitischen und sunnitischen Personen durch den Staat Saudi Arabien auf einen Schlag, die der Opposition und der Aufwiegelung gegen die Staatsführung, des Hochverrats, teils seit langem angeklagt und verurteilt waren, darunter ein prominenter schiitischer Geistlicher aus der schiitischen Golf-Region SaudiArabiens. Das war ohne Zweifel eine gegen die Schiiten in der Region und den Iran gerichtete Provokation, deren taktischer oder strategischer Sinn viele Spekulationen in den Medien ausgelöst haben, bisher jedoch unklar bleibt. 


Dazu gehört die Verlagerung eines kleineren Truppenkontingentes mit einigen Panzern in den Norden des Iraks in das Gebiet das von den irakischen Kurden weitgehend selbständig von der irakischen Zentralregierung verwaltet wird, ohne diese Zentralregierung zu fragen. Die Reaktion der Koalition der sog. Freunde Syriens und der Anti- IS Koalition (zu der auch die Türkei gehört), die weitgehend identisch sind und unter Führung der USA stehen, war sehr zurückhaltend, obwohl es ein eklatanter Völkerrechtsbruch ist und ganz sicher nicht der Bekämpfung der IS dient, sondern eher dem Separatismus der irakischen Kurden und der Hoffnung der Türkei, eines Tages die nordirakischen Ölquellen zurückzugewinnen, die mit der Auflösung des Osmanischen Reiches nach dem I Weltkrieg verloren gegangen waren. 
Ebenso gehört dazu die militärische Invasion in einige Gebiete und Städte in denen vorrangig die türkischen Kurden siedeln unter dem Vorwand dort PKK-Guerilleros zu bekämpfen.
Konferenzen.


Es gab einige Konferenzen von unmittelbar oder mittelbar am Krieg um Syrien beteiligter Gruppen und Staaten, die auf die Beteiligung oder Beeinflussung der vom UN-Sicherheitsrat einstimmig beschlossenen Resolution für einen Fahrplan von Verhandlungen und Befriedungsschritten für Syrien zielen. Sie zielen natürlich gleichzeitig auf die Vorkonferenzen, die damit im Zusammenhang stehen, auf die Koalitionsbildungen und auf die damit verbundenen Kriegsziele der verschiedenen Koalitionen. 


Zum einen die von Saudi-Arabien eingeladenen verschiedenen islamistischen Kräfte und sunnitischen Staaten, bei den nur wenige inzwischen international, d.h., auch von den USA mindestens verbal geächtete Gruppierungen ausgeschlossen blieben, wie z.B. der IS. Dann gab es eine Zusammenkunft von sog. gemäßigten bewaffneten oppositionellen Kräften, eine andere von nicht-militärisch handelnden Oppositionellen und eine von syrischen Kurden und ihren Verbündeten. 


Sie alle wollen sich zunächst intern und dann untereinander auf eine Delegation für die durch den UN-Sicherheitsrat anberaumte und unter Vorsitz eines UNO-Beamten für Ende Januar angesetzte innersyrische Konferenz einigen, bei der sie dann alle der jetzigen syrischen Regierung und dem Präsidenten gegenüber sitzen werden – und über eine neue Verfassung und Wahlen bis Anfang nächsten Jahren beraten sollen.


Es ist klar, dass die Oppositionsseite nur dann realistische Angebote an die jetzige Staatsführung machen, d.h. zunächst einen sofortigen Waffenstillstand beschließen kann, wenn ihre regionalen Paten, wie die Türkei und die Golfdiktaturen, sowie Jordanien und Israel das zulassen wollen oder müssen, und das hängt letztlich von der Position der USA und der Einheitlichkeit ihrer Apparate, von Präsident, Armee und CIA und deren Lager ab. Und davon, ob die ausgeschlossenen islamistischen Kräfte, wie der IS, tatsächlich von den Seiten der Konferenzteilnehmer aktiv bekämpft oder zumindest nicht mehr unterstützt werden. 


Gerade dieses, die Position der USA und die der regionalen Terrorpaten sind unklar und wahrscheinlich bisher unentschieden. Von dieser Seite her, also von der durch die Resolution des UN-Sicherheitsrates beschlossenen innersyrische Konferenz ist noch kein Waffenstillstand absehbar – und das heißt, der Krieg wird weiter gehen. 
Seit langem ist es den USA gelungen, die BRD in die diplomatische Front und das Embargo gegen die syrische Regierung hinein zu ziehen. Weniger lange ist es her, dass die BRD als Waffenlieferant und Ausbilder des Nordirakischen separatistischen Kurdenstaates gewonnen wurde – angeblich als Hilfe für den Kampf der Kurden gegen den IS. Praktisch natürlich auch als militärische und diplomatische Hilfe für die Eigenständigkeit eines Kurdenstaates gegenüber dem irakischen, schiitisch dominierten Zentralstaat, der außerdem auch mit der syrischen Regierung verbündet ist. Nun ist es darüber hinaus gelungen, eine militärische Beteiligung der BRD in den Konflikt mit ein paar militärisch überflüssigen also nur symbolischen Beiträgen, wie den Aufklärungs-Tornados, angeblich in die Bekämpfung des IS einzubeziehen. Zwar ist das propagandistisch als das Eingehen auf den Hilferuf Frankreichs auf Basis der EU-Verträge öffentlich begründet worden. Aber Frankreich kann sich natürlich auch nur auf Basis der entsprechenden Resolutionen des UN-Sicherheitsrates in und über Syrien bewegen, wenn auch ohne Einwilligung der syrischen Regierung, wie auch die BRD, ohne von der syrischen Luftwaffe oder derjenigen Rußlands bedroht oder gar abgeschossen zu werden. 


Diese französische Aktivität ist von dem letzten wirklich drastischen und dramatischen Terroranschlag in Paris ausgelöst worden – der Anschlag auf die Zeitschrift Charly Hebdo reichte dafür anscheinend noch nicht aus. Für die Franzosen reichte der neuerliche Anschlag, um die BRD um militärische Hilfe zu bitten, und für die BRD-Regierung ein Motiv und einen Vorwand zu haben, dem inständigen Drängen der USA zum Mitmachen im Nahen Osten nachzukommen. Damit das nicht so schnell vergessen wird, wurde noch einmal schnell eine Warnung vor einem angeblich konkret geplanten Terroranschlag in München aus den westlichen Geheimdiensten an die BRD lanciert. Woraufhin die Polizeiorgane das bedrohte Publikum wegräumte und sie so vor dem dann nicht stattfindenen Anschlag und den nicht auffindbaren persönlich genannten Attentätern schützte. Die Konsequenz soll jetzt nicht etwa sein, die eigene Informationsbeschaffung zu verbessern und zu intensivieren, sondern die Kontakte zu den Fehl-Informanten, d.h. den westlichen Geheimdiensten, noch zu verstärken – und sich ihnen faktisch auszuliefern. 
Der Abschuß des russischen Frontbombers durch türkische F-16 Jagdflugzeuge, hat sich als eine länger geplante und gezielte Provokations-Operation erwiesen die nur unter stillschweigender Mithilfe von US-Militär- oder Geheimdienstorganen stattfinden konnte . Die Provokation sollte zumindest die sich anbahnende Zusammenarbeit von US- und russischem Militär bei der Bekämpfung des IS verhindern. Das ist gelungen. Ob sie auch, wirklich brandgefährlich, einen militärischen Schlagabtausch zwischen russischen Kräften und der Türkei und damit evt ein Eingreifen der Nato provozieren sollte, bleibt bisher ungeklärt, ist aber wohl nicht gelungen. Andererseits hat es aber die militär-diplomatische Situation umgekehrt. Das überwältigende Übergewicht der Anti-syrischen Flieger- und Luftabwehrkräfte der USA, der Türkei und der Nato in dem Gebiet um Syrien, konnte bisher aus diplomatischen Gründen nicht gegen das kleine russische Expeditionscorps im Sinne einer Flugverbotszone eingesetzt werden, weil dieses auf Einladung und mit Zustimmung der syrischen Regierung tätig geworden ist – während alle anderen nicht-syrischen Fliegerkräfte dort völkerrechtswidrig tätig sind. So blieb daher die Aufstellung der Patriot-Batterien, darunter auch eine der Bundeswehr in der Türkei, nur eine potentielle Bedrohung der russischen und syrischen Fliegerkräfte. Nun hat die schnelle Reaktion Russlands mit der Aufstellung der S 400 Abwehrraketen und des Raketenkreuzers vor der Küste, mit der offenen Androhung, jede als Angriff interpretierbare feindliche Flugbewegung gegen russische Flieger mit sofortigem automatischem Raketenbeschuss zu beantworten, dazu geführt, dass Rußland mit seinem Raketenschirm über Syrien faktisch eine Flugverbotszone über Syrien errichtet hat, die nur mit ausdrücklicher Anmeldung und Gestattung durch russisches Militär beflogen werden darf und kann. Die Provokation durch den Abschuss der russischen Frontbomber ist also nach hinten losgegangen. 


Der plötzlich, vermeintlich ohne Vorwarnung, über Griechenland, den Balkan, Österreich in die BRD strömende Flüchtlingstreck trieb die BRD erstaunlicher Weise nicht aus der Nah-Ost Koalition der USA hinaus, und in eine neutralere Position, sondern umgekehrt diente er als Bekräftigung für die verstärkte Teilnahme an dem vermeintlichen Anti-Terrorbündnis der USA im Nahen Osten – d.h., praktisch der Verlängerung des Krieges gegen den syrischen Staat und damit der Verlängerung der weiteren Produktion von Flüchtlingen. 


Die mittlere Frist

Bisher können und wollen Flüchtlinge aus Syrien, ob aus der Binnenmigration, aus den Lagern in den Syrien umgebenden Staaten oder aus den provisorischen Aufenthalten in Mittel- und Nordeuropa nicht in ihre Heimatorte zurückkehren – vielmehr treibt der andauernde Krieg in und um Syrien weitere Flüchtlinge in die Welt, vor allem nach Mitteleuropa und hier in die BRD.
Der Krieg gegen Syriens Staatlichkeit ist nicht beendet und ein Friedensprozess steht bisher nur auf dem einstimmig verabschiedeten Resolutions-Papier des UN-Sicherheitsrates – bei grundlegend gegensätzlichen Interessen der Beteiligten innerhalb und außerhalb Syriens, dem Nahen Osten und des “Westens”. 


Einstweilen wird also weiter gekämpft. Wobei die durch die syrische Armee von Terrormilizen befreiten und befriedeten Zonen größer werden und langsam wieder ein zusammenhängendes Gebiet zwischen Mittelmeer, Libanon und Israel im Westen und der Wüste im Osten entstehen lassen. 


Die früher Millionen Einwohner umfassende Stadt Homs und die früher über 500 Tausend Einwohner zählende Stadt Hama sind inzwischen wieder weitgehend unter Kontrolle der syrischen Armee. Die offiziell 2,8 Millionen zählende Region von Damaskus, Sitz der Regierung und der Staatsführung, mit wahrscheinlich vielen Hunderttausenden, wenn nicht Millionen mehr Inlands-Flüchtlingen,  war nicht unter die Kontrolle der Terrormilizen geraten. Aber der Mörserbeschuss aus einigen Vierteln der Außenbezirke konnte bisher nicht vollständig unterbunden werden, weil sich die Milizen in Ruinen und im städtischen Untergrund verschanzt hatten. Diese Außenbezirke werden anscheinend gerade zurück erobert, wobei einige wichtige Führungskader der Terrormilizen getötet wurden. Aber die Beschädigung der Energieversorgung zwingt anscheinend weiter zu regelmäßigen und längeren Stromabschaltungen – eine für die Aufrechterhaltung der öffentlichen und privaten Dienste, aber auch für die materielle Produktion sehr störende Situation.


Von den Großstädten ist nur noch Aleppo, vor der Eroberung durch die Terrormilizen mit 2,8 Millionen Einwohnern in der Stadtregion, unter weitgehende Kontrolle der islamistischen Opposition geraten. Dies unter u.a. deshalb, weil sie im Norden und Westen von der Türkei “umrahmt”ist, und die von dieser unterstützten Terrorgruppen die Stadt nicht nur dort, sondern auch im Osten und Süden eingekreist hatten. Während es in Aleppo vor der Eroberung durch die Islamisten große Unterstützungsdemonstrationen für die Regierung und den Präsidenten gegeben hatte, ist der größte Teil der Einwohner nach der Eroberung schon seit Jahren geflohen. 
Wenn es gelingen sollte, auch Aleppo durch die syrische Armee zurück zu erobern, mit Hilfe des russischen Luftwaffeneinsatzes vor allem vom syrischen Militärflugplatz in der Region Latakia aus, dann wäre die Möglichkeit eröffnet, dass bei militärischem Schutz nicht nur in Aleppo wieder eine Zivilverwaltung eingerichtet werden und mit einer entsprechenden Finanzierung ein Wiederaufbauprogramm beginnen könnte – parallel zu den vom UN-Sicherheitsrat auferlegten innersyrischen Verhandlungen und vor allem der Aufhebung der weitreichenden Wirtschaftsblockade durch die sog. “Freunde Syriens” des “Westens”.


Ob die nördlichen Regionen Syriens, die vorrangig von syrischen Kurden, mittlerweile mit gesicherter syrischer Staatsbürgerschaft, sich an einem solchen Aushandlungsprozess beteiligen, ist unklar. Die bisherige Unterstützung durch die USA, kann sehr schnell einem neuen Accord mit der Führung der Türkei, von Erdogan und der AKP geopfert werden. Ob Bevölkerungsvertreter aus den östlichen Teilen Syriens, die weitgehend aus Wüste und wenigen mittleren Ansiedlungen an Flußoasen bestehen, schon von Beginn an oder überhaupt an den genannten innersyrischen Verhandlungen teilnehmen können, ist völlig offen. Das hängt unter anderem von der Rückeroberung der westlichen Teile des Irak durch die irakische Armee aus den Händen des IS ab. Und dies hängt wiederum davon ab, ob die schiitische Zentralregierung eine Vereinbarung mit den sunnitischen Stämmen des West-Irak findet.


Innere Voraussetzung für Befriedung, Aufbau und Rückwanderung bisheriger Flüchtlinge wäre, dass es gelingt, die zivilen Oppositionskräfte von den Terrormilizen zu trennen und sie in einen wirklich innersyrischen Aushandlungsprozess einzubinden. Wichtigste äußere Voraussetzung wäre, dass die USA und ihre westlichen Verbündeten, jetzt offiziell für Syrien auch die BRD mit der Bundeswehr, ihre Unterstützung der Terrormilizen mit militärischem Gerät, mit Geheimdienstoperationen und mit Finanzen einstellen und ihre bisherige Vorbedingung von Verhandlungen, die faktische Kapitulation der bisherigen Regierung und des Präsidenten Assad, fallen lassen. Wobei es bisher keine Garantie gibt, dass die Verbündeten der USA im Nahen Osten, allen voran die Türkei und Saudi-Arabien, sowie die anderen absolutistischen Fürstentümer, eine solche Politik der USA nicht unterlaufen würden. Bisher ist aber auch die Haltung der USA gegenüber den Terrormilizen, auch dem IS, mehr als doppelbödig, bestenfalls unklar. Dagegen sieht die Türkei ganz offensichtlich den IS als ihren verlängerten Arm für ihre neo-osmanische Expansionspolitik an – die verständlicherweise das syrische und vor allem das nordirakische Öl für die eigene Versorgung und die eigenen Geschäfte vereinnahmen will. 


Außerdem bombardiert und beschießt und besetzt das Erdogan-Regime, unter lautem Schweigen der Atlantischen Menschenrechtler mal wieder einige kurdische Städte im Osten des eigenen Staatsterritoriums, unter dem Vorwand die PKK zu bekämpfen. Tatsächlich aber sollte durch die Verschärfung der militärischen Unterdrückung und ethnischen Diskriminierung der Kurden in ihrer Region, erst der kürzliche Verlust der absoluten Mehrheit im Parlament in der erneuten Wahl rückgängig gemacht werden - was gelungen ist. Jetzt geht es dem Regime darum, die kurdisch gefärbte linksdemokratische Partei HDP zu isolieren und klein zu kriegen.


Die Rolle SaudiArabiens bleibt undurchsichtig. Einerseits behaupten alle Saudi- und USA-Kritischen Medien, vor allem im Internet, dass der Saudi-Staat den IS aus ideologischen Gründen massiv unterstütze. Vermutlich ist jedenfalls zutreffend, dass aus Kreisen islamischer Institutionen und reicher Privatpersonen eine starke Unterstützung des IS, evt auch anderer islamistischer Gruppierungen stattfindet. Andererseits kann sich der IS anscheinend aus Ölverkäufen und Besteuerungen der eroberten Bevölkerungen selber finanzieren. Saudi-Arabien wiederum kann als Staat eigentlich kein Interesse haben, in der Region den USA, ihrem Militär und ihren Konzernen ganz allein und direkt gegenüber zu stehen. Denn das Hauptziel der schmutzigen Interventionskriege und Regimechanges im Nahen Osten. Durch die USA ist die Reprivatisierung des Saudi-Öls zugunsten der westl. Ölkonzerne, ist nach wie vor der Hauptgewinn (11 Billionen $ Reserven bei 50 $/Barrel).


Die Rolle der verstaatlichten Ölreserven und ihrer Förderung im Nahen Osten und der Interessen der westlichen Ölkonzerne und deren Unterstützung durch ihre Staaten, also USA, England und Frankreich kann hier aus Platzgründen nicht ökonomisch begründet dargelegt, sondern muß gesondert behandelt werden. 
Wenn sich die Bundesregierung rational verhalten würde, d.h. entlang eigener staatlicher, also nicht vor allem aufgrund fremder Interessen, die moralisch verbrämt werden, und das bedeutet den Zustrom an Flüchtlingen gerade auch aus Syrien drosseln wollte, oder darauf setzen würde, dass möglichst viele der Geflohenen möglichst bald wieder nach Syrien zurückkehren wollten, dann gäbe es gegenüber der jetzigen Politik einige, wenn auch schwache Möglichkeiten:



  • 1. Beendigung des Embargos von Seiten der BRD, um lebenswichtige Importe nach Syrien überhaupt zu ermöglichen oder billiger zu machen. 
  • 2. Erhöhung des Eigenbeitrags für die Finanzierung der UNO-Flüchtlingcamps in und um Syrien herum und Einsatz dafür, dass andere Länder ihrer Verpflichtung mindestens nachkommen, wenn nicht ebenso erhöhen. 
  • 3. Dafür sorgen, dass in den Camps die Bedingungen für den Aufenthalt tatsächlich verbessert würden. Das betrifft die gesundheitliche und soziale Versorgung, Arbeitsmöglichkeiten für Erwachsene, sowie Schul- und Berufsausbildung für Kinder und junge Menschen. 
  • 4. Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zur legalen Regierung in Damaskus, um einen vorübergehenden Aufenthalt von Flüchtlingen in befriedeten Zonen durch Finanzhilfen zu erleichtern; oder die Rückkehr von Flüchtlingen aus Lagern oder privaten Aufnahmen in zerstörte Häuser und Wohnungen durch Wiederaufbau zu finanzieren. 
  • 5. Einrichtung von Anlaufstellen, um Anträge zu stellen und zu bescheiden: auf vorübergehenden Aufenthalt in der BRD für die Dauer von Kriegshandlungen oder der dortigen Nichtverfügbarkeit von Wohnraum und Unterhaltsmitteln und die Erlangung einer normalen Transportmöglichkeit in die BRD mit der ausdrücklichen Perspektive der Rückkehr.
  • 6. Einflußnahme auf die Bündnispartner, evt. zusammen mit anderen Regierungen, um schnellstens einen Waffenstillstand in Syrien und die Errichtung einer zivilen Verwaltung, wo sie nicht mehr vorhanden ist, zu erreichen. 
  • 7. Hilfe und Finanzierung erster Wiederaufbauprojekte für Wohnungen, Infrastruktur, Erwerbsmöglichkeiten, sozialer und Bildungseinrichtungen in den befriedeten Gebieten Syriens.



Das Meiste davon würde den Unwillen der USA und anderer Bündnispartner erregen oder sogar nur gegen deren ernsten Widerstand möglich werden. U.a. deshalb, weil dies nicht nur die Anerkennung der jetzigen Regierung Syriens, sondern sogar eine Zusammenarbeit erforderlich machte. Allerdings bräuchte dies keine Präjudizierung der Stellung der BRD zu einer aus einem Friedensprozess hervorgehenden neuen Regierung zu sein. 


Die Bundesregierung tut nichts von alledem, nicht einmal die Punkte 2 und 3, die ohne Bündnisärger machbar wären. Vielmehr versucht sie durch die Beteiligung an einer 3 Mrd. Zahlung an das Erdogan-Regime zu erreichen, dass dieses schon vorhandene Flüchtlinge aus Syrien und Ausreisewillige sowie neu hinzukommende festhält. Dieses, obschon klar ist, dass gerade Erdogan den Regimechange in Syrien seit langem mit eigenen völkerrechtswiderigen Mitteln massiv unterstützt und damit die Flüchtlinge produziert, die er jetzt festhalten soll. Und abgesehen auch davon, dass die Regierung der Türkei gegen die eigenen Staatsbürger im kurdischen Osten militärisch vorgeht. 


B - Wo Flüchtlinge ankommen und “behandelt” werden 

Die medial kleingehaltenen Brandanschläge gegen noch leerstehende Flüchtlingsunterkünfte, der Höhenflug der AfD und “vorsichtige” verbale Ausflüge von CSU und CDU-Exponenten für die Eindämmung der Flüchtlingsflut einerseits – sowie die Klagen von Gemeinde- und Stadtvertretern aller Couleur von Ministerpräsidenten einiger Länder, von Vertretern von Hilfsverbänden, die Dauerbelegungen von allerlei hallenartigen Unterkünften andererseits, viele Turnhallen darunter, die weder von Sportvereinen noch von Schulen benutzt werden können und die entsprechenden Klagen andererseits, zeigen, dass die Mühen der Ebenen der Integration jetzt erst richtig beginnen. Wobei der Zugang von weiteren Flüchtlingen mit mehreren Tausend Flüchtlingen pro Tag über die griechischen Inseln in die BRD bisher nicht aufgehört hat. 


Ein wichtiges Feld, das neben der Unterbringung und Versorgung besonders schnell in Angriff genommen werden konnte, ist die Einrichtung von Deutschkursen für schulpflichtige Kinder. Glücklicherweise ist dies auch ein Grundstein für eine langfristige Integration der Neuankömmlinge, die wohl meist auch künftige Mitbürger werden. Ebenso wichtig wäre es aber, dass die Kinder von Asylsuchenden und Asylhabenden in ihrer Muttersprache unterrichtet werden, damit sie bei evt. Rückkehr nicht als heimische Analphabeten aus Deutschland aufwachsen müssen.


Die kürzlichen Nachrichten und Stellungnahmen aus dem Bildungsbereich zeigen positive Seiten aber auch die kommenden enormen Schwierigkeiten.


Die Welt am Sonntag skizzierte Zahlen über die Integration der Flüchtlingskinder in die Schulen, u.a. durch gesonderte Deutschkurse: 
“Für Flüchtlinge fehlen mehr als 10.000 Deutschlehrer. Erstmals gibt es umfassende Zahlen zu den "Willkommensklassen". Schon mehr als 8500 Lehrer wurden zusätzlich eingestellt. Und es dürften noch mehr werden – denn der Bedarf ist längst nicht gedeckt. 
Als Reaktion auf die Zuwanderung Hunderttausender schulpflichtiger Kinder haben die Bundesländer bisher mindestens 8264 spezielle Deutschlernklassen eingerichtet.
Rund 196.000 Schüler besuchen diese Klassen, in denen die deutsche Sprache gelehrt wird. 
Die tatsächliche Zahl von Flüchtlingen an den Schulen dürfte noch höher liegen, da sie nach dem Übergang in die Regelklassen nicht mehr gesondert erfasst werden. …
Die KMK bilanziert die Zahl der schulpflichtigen Kinder für das Jahr 2015 mit rund 325.000. Der Vorsitzende des Deutsc+hen Philologenverbandes… "Die zusätzlichen und für 2016 geplanten Lehrerstellen reichen nicht einmal für die bereits in Deutschland befindlichen Flüchtlingskinder", sagt Heinz-Peter Meidinger. Gebraucht würden 20.000 und nicht nur 8500 zusätzliche Lehrkräfte. "Spätestens im Sommer nächsten Jahres, wenn alle der Schulpflicht unterliegen, wird sich diese Lücke schmerzhaft bemerkbar machen."


"Für Schulen und Kultusverwaltungen hat es so eine Herausforderung noch nie gegeben. In dieser Situation müssen wir flexibel auf die sich ständig ändernden Bedingungen reagieren", sagte die noch bis 1. Januar amtierende Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Sachsens Ressortchefin Brunhild Kurth (CDU), der Zeitung. Die Schulen stünden jedoch nicht vor dem Kollaps. Anlass für Pessimismus und Hysterie bestehe nicht. Aber: "Wir sollten akzeptieren, dass die Ausnahmesituation für eine lange Zeit Normalzustand sein wird."
http://www.welt.de/politik/deutschland/article150340364/Fuer-Fluechtlinge-fehlen-mehr-als-10-000-Deutschlehrer.html


Spiegel online möchte dagegen mehr das Positive in der Vordergrund rücken und titelt am 7.12.15:
Flüchtlingskinder: Schulen gründen mehr als 8200 Deutschklassen
Die Integration von Flüchtlingskindern ist in vollem Gange: 
Mehr als 8200 spezielle Sprachklassen haben die Bundesländer bereits eingerichtet und 8500 Lehrer eingestellt - immer noch viel zu wenig.
http://www.spiegel.de/schulspiegel/fluechtlinge-mehr-als-8200-spezielle-deutsch-klassen-geschaffen-a-1069589.html


Der Deutschlandfunk berichtet aktuell - Flüchtlinge: 
DGB fordert staatliches Ausbildungsprogramm
Immer mehr Unternehmen in Bayern bieten Flüchtlingen Praktika oder einen Ausbildungsplatz an. 
Praktikum für Flüchtlinge bei einem Unternehmen. 
Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert ein staatliches Programm, um jungen Flüchtlingen den Weg in eine Berufsausbildung zu erleichtern.
Man brauche ein Bund-Länder-Programm für außerbetriebliche Ausbildung in Regionen, in denen der Ausbildungsmarkt besonders angespannt sei, sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Hannack dem "Handelsblatt". Zudem müsse bereits 2016 auch die assistierte Ausbildung besser an die Bedürfnisse der Geflüchteten angepasst werden. Bei der assistierten Ausbildung hilft ein Bildungsträger dem Lehrling und dem Betrieb - etwa durch Beratung und Nachhilfe. 
Unter den bislang rund 425.000 Asylbewerbern sind nach Angaben der Zeitung gut 120.000 Menschen zwischen 16 und 25 Jahren.
http://www.deutschlandfunk.de/fluechtlinge-dgb-fordert-staatliches-ausbildungsprogramm.447.de.html?drn:news_id=562957


Die Wohnungsverhältnisse der Flüchtlinge sind, einerseits aufgrund der großen Zahl kurzfristig Angekommener, aber auch aufgrund der Klärung und Regelung der Aufenthaltsberechtigung ein besonders schwieriges aber dringliches Problem. 


Ein im Internet veröffentlichtes Merkblatt des Bundesamtes für Migration und Flüchtlingen (BAMF) zum Asylverfahren läßt deutlich werden, dass es erst am Abschluß des Asylantrags-Verfahrens einen rechtlichen Aufenthaltsstatus gibt – nämlich die Aufenthalts-Gestattung – die für die Zeit der Durchführung des eigentlichen Asylverfahrens gilt. Zwischen der Absichtsbekundung eines “Flüchtlings” bei einer Behörde, z.B. beim Grenzüb+++ertritt, einen Asylantrag stellen zu wollen und dem Antragsverfahren selbst, wird der potentielle Antragsteller behördlich der nächstgelegenen Erstaufnahmeeinrichtung zugeordnet, die für die Durchführung des Antragsverfahrens zuständig ist. Diese Behörde ermittelt außerdem, die für die Unterbringung zuständige Aufnahmeeinrichtung. Der Erstaufnahmeeinrichtung ist eine Außenstelle des BAMF zugeordnet, die für die Stellung und Durchführung des Asyl-Antragsverfahrens zuständig ist, bei der also der Asylantrag persönlich zu stellen ist. Die für die Unterbringung zuständige Aufnahmeeinrichtung soll den Bewerber Unterkunft und Unterhalt, also u.a. tägliche Lebensmittel in Gemeinschaftsverpflegung gewähren. 

http://www.bamf.de/DE/DasBAMF/Aufgaben/Asylverfahren/asylverfahren-node.html;jsessionid=0D8C142A78194FB5109CAFD65AD607CD.1_cid294


Für die Frage der Art der Unterkunft und Verpflegung sowie die Verpflichtung von Behörden, dieses zu gewährleisten gilt Folgendes: 
(Auszug aus: Unterbringung von Flüchtlingen in Deutschland - von Kay Wendel):
“3. Typen der Aufnahme und Unterbringung
Flüchtlinge sind Objekte der Verwaltung. Bei der Wahl des Wohnsitzes und der Unterbringungsform haben sie kein Mitspracherecht. Ihre Aufnahme, Verteilung, Zuweisung und Unterbringung richtet sich allein nach verwaltungsorganisatorischen Erfordernissen, die sich am föderalen Verwaltungsaufbau der Bundesrepublik orientieren. Beteiligt sind der Bund, die Innen- und Sozialministerien der Bundesländer, die kommunalen Gebietskörperschaften wie Landkreise und kreisfreien Städte sowie die Kommunen, in Bayern zudem noch die Regierungsbezirke als mittlere Verwaltungsbehörden.”
15.9.15
http://news.dkp.suhail.uberspace.de/2015/09/zur-akuten-fluechtlings-frage-in-der-brd/


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