Mit dem Hinweis auf zwei völlig unterschiedliche Texte soll dieses Thema eröffnet werden.
Später werden noch etliche eigene Texte und Verweise auf Diskussionen sowie Stellungnahmen folgen.
Zunächst:
Eine wunderbare Aufdeckung der gemeinsamen Quelle all der deutschen Reden über mehr Verantwortung und Interventionseifer auf der Müncher Sicherheitskonferenz von P. Schreyer auf Telepolis (4.2.14)
http://www.heise.de/tp/druck/mb/artikel/40/40913/1.html
"Wir sind die Guten
Paul Schreyer 04.02.2014Zur Debatte um die deutsche Verantwortung in der Welt
Der Gleichklang ist beeindruckend. Ob Bundespräsident, Verteidigungsministerin oder Außenminister - sie alle fordern zu Beginn des Jahres, beinahe unisono, eine aktivere Rolle Deutschlands. Es sei nicht genug, "Weltpolitik nur zu kommentieren" (Steinmeier[1]), man solle sich "entschiedener und substanzieller einbringen" (Gauck[2]) und die Menschen in den Krisenregionen nicht "im Stich lassen" (von der Leyen[3]). Was steckt hinter dem auffällig einmütigen Vorpreschen in dieser kontroversen Frage?..."
Schreyer zeigt vor allem an der Gauck Rede, dass deren Stoßrichtung und Argumentation aus einem StrategiePapier vom Oktober letzten Jahres stammt, das gemeinsam von der regierungsnahen Denkfabrik Stiftung Wissenschaft und Politik mit dem German Marshall Fund of the United States ausgearbeitet wurde.
Wichtig scheint hier zweierlei:
1. Diese anscheinend alt-neu-deutsche, sehr imperialistisch klingende weltpolitische Kraftmeierei ist tatsächlich das Produkt gemeinsamer Interessen und gemeinsamer strategischer Einschätzungen durch die herrschenden Kreise in der BRD (obgleich sich da auch ein einschlägiger Prominenter aus Der Linken findet!) und von Vertretern des US-Establishments - wegen der tönenden Worte könnte man den alten Übeltäter >Deutscher Imperialismus< dahinter vermuten. In Wirklichkeit ist es eine großsprecherische Gehorsamsankündigung gegenüber dem Paten und Großen Bruder - geliefert wurde bisher, wenn auch vergeblich, nur in Afghanistan. Ansonsten hält man sich lieber und sinnvoller Weise zurück. Und das wird wohl auch so bleiben, denn es kostet nur staatliche Mittel, die besser für Forschungsförderung der Konzerne ausgegeben werden, und bringt nichts ein - außer man kann an Saudi-Arabien Rüstunsgüter liefern und muß dann an anderen Orten keine Truppen stellen.
2. Und, das ist im Zusammenhang mit den angeführten Reflexionen zu den Strategien Kommunistischer Parteien wichtiger:
Das in einem Schema wiedergegebene Bild der Welt über die Einteilung der Staaten nach Relevanz und Nähe zum Imperium, das aus den USA, Europa und Japan und etlichen anderen gebildet wird, aber mit den USA als unbezweifelter und allein fähiger Führungsmacht. Auch wenn hier die Staaten, einige Eigenschaften und ihre politische Tendenz im Vordergrund stehen, ist ganz offenbar, dass es um die herrschenden Klassen dieser Staaten geht.
hier noch eine paar Absätze aus dem Text von Schreyer:
"...
Ebenso mag der selten durch Kraftprotzerei oder gar Aggressivität auffallende Steinmeier tatsächlich überzeugt sein von seinen Worten, wenn er sagt[7], es werde "zu Recht von uns erwartet, dass wir uns einmischen.
Dennoch steckt gerade in dieser Formulierung Brisanz. "Es wird erwartet" - von wem denn? Das deutsche Volk kann es kaum sein, das hier fordert. Laut aktueller Umfrage von ARD Deutschlandtrend[8] lehnen 61 Prozent der Befragten weitere militärische Auslandseinsätze ab, nur 30 Prozent sind dafür. Wer also "erwartet" hier etwas?
Neue Macht - altes Spiel
Die Suche führt schnell zu einem Strategiepapier, das, wie sich zeigt, die eigentliche Blaupause sämtlicher der genannten Redebeiträge ist. Bereits im Oktober vergangenen Jahres legte die regierungsnahe Denkfabrik Stiftung Wissenschaft und Politik[9] gemeinsam mit dem German Marshall Fund of the United States[10] eine Studie vor, in der sich viele der Formulierungen Gaucks, Steinmeiers und von der Leyens beinahe wortwörtlich wiederfinden. Ihr Titel: "Neue Macht - neue Verantwortung"[11]. In der Einleitung heißt es dort:
>Dieses Papier ist das Ergebnis des Projekts "Elemente einer außenpolitischen Strategie für Deutschland", einer gemeinsamen Initiative des German Marshall Fund of the United States und der Stiftung Wissenschaft und Politik, gefördert durch den Planungsstab des Auswärtigen Amts. Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren außen- und sicherheitspolitische Fachleute aus Bundestag, Bundesregierung, Wissenschaft, Wirtschaft, Stiftungen, Denkfabriken, Medien und Nichtregierungsorganisationen. Das Papier spiegelt den Konsens, aber auch den Dissens ihrer Diskussionen wider, dawischen November 2012 und September 2013 in vier Arbeitsgruppen stattfanden.<
Die entscheidende Passage in dem Papier, dass die Stellung der BRD zu den USA völlig zutreffend kennzeichnet und daraus die "Neuen Aufgaben" ableitet, lautet:
"In der Studie heißt es:
>Deutschland profitiert wie kaum ein anderes Land von der Globalisierung und der friedlichen, offenen und freien Weltordnung, die sie möglich macht. Gleichzeitig ist Deutschland aber auch besonders abhängig vom Funktionieren dieser Ordnung. Es ist damit auf besondere Weise verwundbar und anfällig für die Folgen von Störungen im System. Das überragende strategische Ziel Deutschlands ist der Erhalt und die Fortentwicklung dieser freien, friedlichen und offenen Ordnung. (…) Gefragt sind mehr Gestaltungswillen, Ideen und Initiativen. Deutschland wird künftig öfter und entschiedener führen müssen. (…)
Dem Westen und seiner auf Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Demokratie beruhenden Legitimität ist kein Gegenpol mit ähnlich universaler Strahlkraft erwachsen.
Und der jahrzehntelange Garant dieser Ordnung, die Vereinigten Staaten, bleibt zumindest auf absehbare Zeit die einzige Supermacht mit globalem Ordnungswillen und Reichweite.
Doch die USA signalisieren
- im Bewusstsein geschrumpfter materieller Ressourcen - deutlich,
dass Amerikas Engagement in der Welt künftig selektiver und sein Anspruch an Partner entsprechend höher sein wird. Vor allem für Europa und Deutschland bedeutet dies einen großen Zuwachs an Aufgaben und Verantwortung.< (Hvhbg JM)
Der zweite Text ist eine richtige und selbstkritisch gemeinte Reflexion eines intelligenten Kommunisten über die möglichen Ursachen der Differenzen von Kommunistischen Parteien auf ihrer Konferenz von Lissabon Ende letzten Jahres, vor allem zwischen der KKE und anderen Kommunistischen Parteien :
Kampf gegen Imperialismus oder gegen Monopolkapitalismus
Sunday, February 2, 2014
An anti-monopoly or anti-imperialist strategy?
At the international meeting of communist and workers’ parties in Lisbon in November a different emphasis emerged among the parties gathered there that could be summed up in the question “Do we describe our struggle at this stage as one against monopoly capitalism or against imperialism?” (bearing in mind that these are different descriptions of the same phenomenon).
These differences reflect the different historical experiences and the specific nature of the immediate struggles that the parties are involved in. Furthermore, they arise from the different economic and social conditions and the balance of forces in our countries.
The Communist Party of Greece (KKE) are always worth listening to ...
....
In this context it has been a Leninist position to seek to exploit differences between enemy forces, which at particular points in time has correctly called for alliances with bourgeois forces to weaken the imperialist system as a whole, something the KKE are now ruling out of their single revolutionary strategy.
Imperialism, rather than equalising power relations among states and indeed among capitalist classes at different stages of development, which might warrant the convergence of communist strategies, accentuates and polarises even further the exploitative core and periphery relations within imperialism.
In a core country, such as the United States, Japan, Britain, or Germany, the local monopoly bourgeoisie are big enough and powerful enough, with a local alliance with the smaller bourgeoisie, not only to dominate and control the state and other classes domestically but also to spread their influence and control overseas and to dominate other states and peoples. The communist movement in a core country’s primary enemy is domestic, is local.
In a peripheral country, such as Ireland, the monopoly bourgeoisie are not strong enough locally to rule unhindered and so have the options of either a local alliance that would negatively affect their monopoly position or becoming integrated in the monopoly system globally and therefore becoming dependent on imperialism to prop up their position domestically.
..."
http://communistperspective.blogspot.de/2014/02/an-anti-monopoly-or-anti-imperialist.html
Der Vergleich zeigt uns, dass die Ideologen der herrschenden Klassen der BRD und der USA einen sehr viel treffenderen Blick auf die Weltverhältnisse haben, als die selbstkritische und richtige kommunistische aber doch sehr begrenzte Reflexion mittels eines historisch nicht mehr treffenden Paradigmas Leninscher Provinienz erlaubt.
JM
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